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Der Hexenmeister

Der Hexenmeister

Titel: Der Hexenmeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Blish
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leicht zu handhaben. Die meisten der möglichen Kombinationen einer Gruppe von Scheiben hatte triviale Bedeutung. Man brauchte Verstand, um zu erkennen, welche davon wichtig, und tiefen Glauben, um zu sehen, welche davon göttlich inspiriert waren. Dennoch hatte diese Kunst gegenüber allen anderen Formen der metaphysischen Befragung einen unschätzbaren Vorteil: strenggenommen war sie keine Art von Magie.
    Er drehte die Scheiben wie zufällig die vorgeschriebene Anzahl von Malen, griff dann die äußerste am Rande und schüttelte sie nach allen vier Himmelsrichtungen. Er fürchtete beinahe, das Ergebnis anzusehen.
    Aber schon bei diesem ersten Versuch hatte die Maschine folgendes hervorgebracht:
    GEDULD/WERDEN/WIRKLICHKEIT
    Es war die Antwort, die er ebenso sehr erwartet wie gefürchtet hatte. Und es war auch, dessen wurde er sich mit Bestürzung bewußt, die einzige Antwort, die er am Weihnachtsabend erwarten konnte.
    Er versorgte die ›Maschine‹ und sein ›Werkzeug‹ wieder in seiner Reisetasche und kroch todmüde ins Bett. — In seinem gegenwärtigen Zustand von Übermüdung und Unruhe hoffte er eigentlich nicht auf Schlaf . . . aber ehe Irtan noch hätte die Sanduhr zweimal kehren können, hatte er die gegenständliche Welt der Phänomene schon verlassen und träumte statt dessen, er fliehe — wie Gerbert, der Papst und Magier — das Heilige Amt, auf einem Teufel durch die Winde reitend. . .

 
10
     
    Wares Erholungspause währte nicht ganz so lange, wie er vorhergesagt hatte. Schon um Dreikönig war er wohlauf und munter. Zu diesem Zeitpunkt war Baines durch die lange Untätigkeit bereits völlig zermürbt — obwohl nur Jack Ginsberg, der die Anzeichen dafür kannte, es ihm anmerkte. Jack mußte ihn daran erinnern, daß ja auf alle Fälle mindestens zwei Monate vergehen würden, ehe man den Selbstmord Dr. Stockhausens günstigstenfalls erwarten konnte. Er schlug also vor, daß sie inzwischen alle nach Rom zurück und an die Arbeit gehen sollten.
    Baines lehnte den Vorschlag ab. Was immer ihn auch bedrücken und beschäftigen mochte, mit Consolidated Warfare Service hatte es höchstens am Rande etwas zu tun . . . Jedenfalls konnte ihn der Gedanke an die Firma gerade noch soweit ablenken, daß er jeden Tag einige unbedingt nötige Telefongespräche führte.
    Auch dieser Priester oder Mönch, oder was er eben war, Pater Domenico, war immer noch im Palazzo. Offenbar hatte ihn das grausige Schauspiel nicht getäuscht. Nun, das war wohl Wares Sorge. Immerhin bemühte sich Jack, dem Kleriker so gut wie möglich aus dem Wege zu gehen. Seine Gegenwart erinnerte Jack — in einer seiner seltenen Assoziationen mit seiner Kindheit in der Bronx — an einen wahnsinnigen orthodox-jüdischen Verwandten, der Jacks Familie einmal während einer sehr wichtigen Ehevermittlung besucht hatte.
    Gar so verrückt war das alles aber gar nicht. Denn wenn Magie wirklich funktionierte — und Jack hatte mit eigenen Augen gesehen, daß dies der Fall war —, dann ergab sich daraus logisch die Echtheit und Richtigkeit des ganzen metaphysischen Gewebes, das Pater Domenico repräsentierte — von Moses über die Kabbala bis zum Neuen Testament. Nachdem Jack diesen Gedankengang entwickelt hatte, war es ihm nicht nur zuwider, Pater Domenico zu sehen, sondern er begann Alpträume zu haben, in denen es ihm war, als sähe Pater Domenico ihn an.
    Ware selbst allerdings erschien offiziell vor dem vorhergesagten vierzehnten Tag nicht und war bis dahin auch für niemanden zu sprechen. Dann aber war — zu Jacks vager Beunruhigung — der erste Mensch, den er in sein Büro bat, Jack Ginsberg.
    Jack sah einem Gespräch mit Ware nur wenig freudiger entgegen, als er sich auf eine Disputation mit dem barfüßigen, höflichschweigsamen Pater Domenico eingelassen hätte. Auch war es bei dem gegenwärtigen Geisteszustand von Baines kaum abzusehen, wie die Tatsache, daß Ware ausgerechnet mit Ginsberg zuerst sprechen wollte (und die normalerweise für Baines eine Nebensächlichkeit gewesen wäre), nun auf diesen wirken würde. Nach einer Stunde voll Gewissensqualen legte Jack das Problem Baines selbst vor. Er war nun nicht mehr sicher, ob sein eigener Takt ausreichte, ein derart schwieriges rohes Ei zu behandeln.
    »Gehen Sie einfach hin«, sagte Baines. Sonst nichts. Er machte immer noch den Eindruck eines Menschen, der höchstens für Augenblicke von einem einzigen, allbeherrschenden Gedanken abgelenkt werden konnte. Auch das war beunruhigend,

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