Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
Kind hoch, das schlapp auf seinen Armen lag, und brachte es in die gute Stube, wo sie das Kinderbett aufgestellt hatten. Am Bettchen war ein Gitter befestigt, damit es nicht herausklettern konnte. Jodokus legte den Knaben behutsam hinein und zog eine weiche Decke über seinen Körper.
Bekümmert sah er in das Gesicht des Kindes. »Wer bist du?«, flüsterte er und ging zurück zu den anderen, die wie betäubt am Tisch saßen.
»Ich verstehe das nicht! Warum sieht das Dämonenkind Magdalena ähnlich?«, fragte Karoline und blickte zu ihrem Mann. »Ich habe Angst, den Verstand zu verlieren«, flüsterte sie.
Erik schaute in die Runde und sprach als Erster. »Die Dämonen haben das Kind bereits ausgewechselt, nur ihr habt es nicht gemerkt. Wie solltet ihr auch? Es hat kaum wie ein Mensch ausgesehen«, begründete er seine Meinung.
»Du glaubst, dass das Kind, das in dem Bettchen liegt, unser Michael ist?«, fragte Jodokus.
Erik nickte, und Karoline schrie laut auf.
»Er ist unterernährt und verwahrlost, weil er nicht gut versorgt wurde. Seine verformten Gliedmaßen sind ein Zeichen mangelhafter Ernährung«, sagte Arne. »Ich weiß, dass Hering helfen soll, die Knochen zu stärken. Außerdem ist der Fisch nahrhaft und für vieles andere gut.«
»Hering?«, fragte Jodokus. »Wo sollen wir Hering herbekommen?«
»Heere führen oft Pökelhering mit sich, aber unser Heer ist zu weit weg. Meist gibt es Fisch in größeren Städten, in denen es noch einen Markttag gibt.«
Jodokus überlegte. »In Mühlhausen könnte es Fisch zu kaufen geben, denn die Stadt wurde vom Krieg bis jetzt verschont. Es heißt, dass sie über eine Million Gulden bezahlt haben, damit sie nicht zerstört wird. Aber wir haben kein Geld, um den Hering zu bezahlen.«
»Darüber musst du dir keine Gedanken machen«, erklärte Johann und sah seiner Schwester in die Augen. »Die Goldmünzen, die Mutter Vater einst weggenommen hat, habe ich aufbewahrt. Sie werden jetzt helfen, euren Sohn zu retten.«
• Kapitel 45 •
Schon vor dem Morgengrauen wollte sich Johann auf den Weg nach Mühlhausen machen, um Heringe zu kaufen. Da die Stadt weniger als eine halbe Tagesreise entfernt lag, würde er am Abend zurück sein. Er hatte die Hengste eingespannt und auf dem Fahrersitz Platz genommen, als Erik auftauchte. Fragend blickte er den Schweden an, als der grinsend meinte: »Vielleicht benötigst du wieder einen Schutzengel.«
Die beiden Männer saßen müde und wortkarg nebeneinander auf dem Kutschbock. Doch kaum graute der Morgen und die Umgebung wurde deutlich sichtbar, begann Johann dem Schweden die Landschaft und die Dörfer, die er so gut kannte, zu beschreiben. Kindheitserinnerungen wurden wieder wach, und Erik lachte laut. Johann erzählte auch von seiner Hochzeit damals auf Burg Bodenstein und von dem Freiherrn von Wintzingerode, der sie mit einem großzügigen Festessen beschenkt hatte. »Gleich nach dem Hochzeitsmahl mussten wir von der Burg fliehen, weil mein Vater uns verfolgte.«
Erik konnte Johann die Freude, dass er wieder auf seinem geliebten Eichsfeld war, ansehen und auch anhören, denn er redete unentwegt. Doch dann verstummte Johann und schaute über Wiesen und Äcker zu einem Dorf am Ende der Flure.
»Was ist?«, fragte Erik, der seinem Blick gefolgt war.
»Mein Freund Clemens stammt aus dem Ort Dingelstedt, der dort vor uns liegt. Er wollte mit seiner Familie im Herbst ebenfalls aufs Eichsfeld zurückkehren. Ich denke, dass ich schon bald seine Schwester aufsuchen werde, um ihr von der bevorstehenden Heimkehr ihres Bruders zu berichten. Anna wird sich freuen, von ihm zu hören.«
Johann hing seinen Gedanken nach, als Erik ihm mitteilte: »Ich werde morgen zu meinem Heer aufbrechen, um schon in wenigen Tagen nach Stralsund zu reiten. Ich will mit dem ersten Schiff, das den Hafen verlässt, nach Schweden zurücksegeln.«
»Ich dachte, du würdest einige Zeit bei uns bleiben«, meinte Johann bedauernd, weil er den Schweden mochte.
Erik nickte. »Ja, das hatte ich vorgehabt, zumal mir der Feldmarschall sechs Wochen Urlaub bewilligte. Aber da wir euch rasch gefunden haben, benötige ich diesen langen Urlaub nicht mehr.« Er stockte einen Augenblick und blickte in die Ferne. »Seit ich dich und deine Familie kenne, spürte ich eine unbändige Sehnsucht nach meiner eigenen Familie. Ich habe meine Frau und meine drei Töchter seit fünf Jahren nicht gesehen. Die jüngste war fünf, als ich in den Krieg gezogen bin, und die älteste
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