Der Hexenturm: Roman (German Edition)
es sicher angenehmer.«
»Willst du, dass deine Tochter von Stechmücken und Pferdebremsen aufgefressen wird?«, schimpfte Franziska erschöpft.
»Ich dachte, das wäre ein guter Vorschlag. Schließlich kann ich nichts dafür, dass das Kind schreit«, gab Johann ebenso unfreundlich zurück. Um Magdalena zu beruhigen, schaukelte Franziska sie stetig hin und her, aber sie schrie weiter wie am Spieß.
»Vielleicht hat sie Hunger«, sagte Johann.
»Es geht ihr bestens!«, zischte Franziska unwirsch und drückte ihm das Kind auf den Arm. »Hier! Versuch du deine Tochter zu beruhigen. Ich gehe in die Küche und hole etwas zu trinken.«
Sprachlos blickte Johann seiner Frau hinterher. »Franziska!«, stammelte er, doch da hatte sie bereits das Zimmer verlassen.
Zuerst brüllte Magdalena weiter. Als er aber leise auf das Mädchen einsprach, verstummte es und lag plötzlich ruhig in seinem Arm. Es schien ihn aus seinen blaugrünen Augen forschend zu betrachten. Der rotblonde Haarflaum war nass geschwitzt und klebte an ihrem Köpfchen. Zärtlich streichelte Johann seine Tochter und flüsterte: »Du bist das schönste Mädchen auf der Welt! Eines Tages werde ich dich deiner Großmutter in Tastungen vorstellen. Sie wird dich sofort in ihr Herz schließen. Du erinnerst mich an sie. Sie hat mich auch immer so angeschaut, wie du es gerade tust.«
Das Kind blickte ihn an, als könne es seine Worte verstehen. Als es den Mund leicht verzog, war Johann sich sicher, dass es ihm zulächeln wollte. »Wenn du älter bist, werden wir nach Hause gehen aufs Eichsfeld. Dort werde ich dir alles zeigen«, versprach Johann, und während er seiner Tochter von der Heimat erzählte, bemerkte er nicht, wie Magdalena die Äuglein schloss und einschlummerte. Entspannt lag sie nun in seinen Armen. Johann blickte das Mädchen verzaubert an. Dann sah er sich in der Kammer um und fasste einen Entschluss. Zärtlich küsste er seine Tochter auf die Stirn und flüsterte: »Auch wenn ich jetzt als Knecht auf einem fremden Hof arbeiten muss. Du bist die Tochter eines Großbauern, und so sollst du aufwachsen.«
Vorsichtig legte er das Kind in seinen Weidenkorb und wartete, bis Franziska zurückkam. Kaum hatte sie das Zimmer betreten und die Tür geschlossen, nahm er sie in den Arm. Erstaunt sah sie auf das schlafende Kind.
»Wie hast du das geschafft?«, flüsterte sie erfreut.
»Ich habe ihr vom Eichsfeld erzählt«, erklärte er lächelnd. »Außerdem habe ich unserer Tochter ein Versprechen gegeben, und das werde ich bald einlösen.«
Franziska blickte ihren Mann fragend an, doch anstatt ihr zu antworten, küsste er sie leidenschaftlich.
»Komm zu mir, meine Schöne! Dann werde ich dich vielleicht in unser Geheimnis einweihen«, flüsterte Johann und zog sie auf ihr gemeinsames Lager.
Zwei Tage später suchte Johann Regina Rehmringer in ihrer Wohnstube auf. Auch wenn er die Frau schätzte, die ihnen ein Heim und Arbeit bot und nicht nach ihrer Vergangenheit fragte und die seine Tochter wie ein eigenes Enkelkind behandelte, so stand er jetzt ehrfürchtig vor ihr und fühlte sich wie ein Knabe, der etwas ausgefressen hatte.
»Geht es Magdalena gut?«, fragte sie erschrocken. Er nickte.
»Gott sei gedankt!«, sagte sie. »Was führt dich zu mir?«
Erstaunt hörte die alte Frau, was Johann ihr vortrug. Als er geendet hatte, blieb sie stumm und dachte nach. Der junge Mann saß abwartend da und beobachtete sein Gegenüber. Endlich sagte sie: »Solch einen Wunsch habe ich noch nie vernommen, Johann, und deshalb werde ich mich beraten lassen. Sobald ich mich entschieden habe, werde ich es dich wissen lassen.«
Zwei Wochen später, an einem Sonntag, nahm Johann Franziska an die Hand und ging mit ihr ein Stück hinter dem Gestüt zu einem abgelegenen Obstgarten, dessen eine Seite vom Hessbach begrenzt wurde. Magdalena hatten sie in der Obhut von Katharina gelassen, da Johann mit seiner Frau ungestört sein wollte.
Erstaunt entdeckte Franziska unter einem Baum eine Decke sowie eine Flasche Wein, Brot und Käse und zwei Becher.
Fragend sah sie Johann an, der sich freute, weil ihm seine Überraschung geglückt war.
»Setz dich, Franziska«, lud er sie ein und legte sich selbst unter den Baum. Verschmitzt lächelnd verschränkte er die Hände hinter dem Kopf.
»Haben wir etwas zu feiern?«, fragte Franziska und goss Wein in die Becher.
»Ich wollte mit meiner Frau ein paar ruhige Stunden verleben!«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Oder ist das
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