Der Hexenturm: Roman (German Edition)
vernachlässigst!«, ermahnte sie ihn. »Auch wenn du jetzt selbst Grund und Boden besitzt.«
»Das habe ich nicht vor, Frau Rehmringer. Ich werde nur in meiner freien Zeit an dem Haus arbeiten«, versicherte er ihr.
»Aber was wird das Gesinde sagen, wenn es davon erfährt?«, warf Franziska nachdenklich ein.
»Frau Rehmringer und ich haben vereinbart, dass keiner von dem Kauf erfahren wird. In den Augen der anderen wird Frau Rehmringer mich beauftragen, einen neuen Stall zu bauen. Ich werde sie dann bitten, den Stall als Wohnhaus umbauen zu dürfen, da Magdalena immer größer wird und die Kammer für uns drei zu eng ist.«
»Ich weiß nicht, Johann. Das hört sich nicht glaubwürdig an.«
»Ja, du hast schon Recht. Aber im Augenblick fällt mir keine andere Ausrede ein.«
Franziska bettete ihren Kopf auf Johanns Brust und erklärte zufrieden: »Ach, es ist mir einerlei, was die Leute tratschen werden. Hauptsache wir haben ein eigenes Heim!«
Kapitel 30
Bonner lag auf dem stinkenden Strohsack und starrte in die Dunkelheit des Kerkers. Er wusste nicht, ob es außerhalb der dicken Mauern hell oder dunkel, Winter oder Sommer, warm oder kalt war. Nur wenn der Schlüssel im Schloss der schweren Eisentür sich knarrend drehte und man ihm das Essen brachte, erkannte er, dass es Tag war. Welche Stunde blieb ihm aber ein Geheimnis. Im Laufe der Zeit war es ihm einerlei geworden, denn es spielte in seinem Gefängnis keine Rolle – zumal alles stets unverändert blieb. Die Kälte, die Düsternis, die Stille. Nichts änderte sich, und das war das Schlimmste!
Die Ausweglosigkeit seiner Gefangenschaft hatte Bonner in einen Zustand der Gleichgültigkeit versetzt, so dass er zu keinerlei Empfindung mehr fähig war. Er schien innerlich tot zu sein, denn er spürte und fühlte nichts. Die Kälte und Einsamkeit störten ihn ebenso wenig wie der widerliche Gestank, den seine Exkremente, das verrottete Stroh und der Schleim auf den Steinen verströmte. Auch glaubte er, dass er sich nicht mehr an sein früheres Leben erinnern konnte, denn zeitweise wusste er nicht mehr, wer er war, woher er kam und warum man ihn hier eingesperrt hatte. Alle Gedanken an seine Vergangenheit hatten sich scheinbar wie Dunst im Morgengrauen aufgelöst. Bonner lag da und wartete darauf, dass der Körper dem Geist folgen und sein Herz nicht mehr schlagen würde. Müde schloss er die Augen.
Das Einzige, was in seiner Einsamkeit nicht verloren gegangen war, waren seine Träume. Bilder, die manchmal grausam, manchmal erregend, manchmal unheimlich waren, schlichen sich immer wieder in seinen Kopf, und er konnte nichts dagegen tun. Nur zu gerne hätte er die Träume aus seinem Schädel verbannt, denn sie schmerzten und schnürten ihm die Kehle zu.
Auch dieser Traum quälte Bonner. Er träumte, dass man ihm zahlreiche Nadeln in die Brust stecken würde, die einen stechenden Schmerz verursachten. Verzweifelt schlug er um sich, doch es hörte nicht auf. Stimmen drangen zu ihm durch, die er nicht zuordnen konnte.
»Wie das hier stinkt! Igitt!«
»Er ist bereits tot und verwest!«
»Nein, er schläft.«
»Pack ihn an den Schultern und heb ihn hoch.«
»Bist du verrückt! Ich fass den Alten nicht an.«
»Stich ihn erneut mit dem Speer und dieses Mal fester!«
Bonner war zu müde, um die Augen zu öffnen. Zu kraftlos, um sich zu bewegen. Doch als der Schmerz in seiner Brust so stark wurde, dass er aufschrie, wusste er, dass es kein Traum war.
Voller Angst riss Bonner die Augen auf. Geblendet durch den Schein einer Kerze schloss er sie sofort wieder und stöhnte.
»Er lebt!«, hörte er jemanden sagen.
»Gott sei gedankt! So müssen wir nicht auch noch seine Leiche entsorgen.«
Wieder öffnete Bonner die Augen, doch dieses Mal langsam, so dass er sich an das ungewohnte Licht gewöhnen konnte. Im schwachen Schein der Kerze erkannte er die beiden Burschen, die ihm das Essen gebracht hatten.
»Kannst du uns hören?«, fragte der eine mit dem Speer in der Hand. Bonner nickte.
»Simon, der Jäger, ist tot.«
Selbst in seiner Not konnte Bonner sich ein grimmiges Grinsen nicht verkneifen. »Der Bär hat ihn erledigt«, krächzte er.
Der andere Bursche schüttelte den Kopf. »Es gibt keinen Bären! Die Dirne Liese Lutz hat die verschwundenen Männer in ihre Herberge ›Zur tanzenden Maus‹ gelockt und dort getötet, um sie auszurauben. Anschließend hat sie mit dem Wirt die Leichen im Wald verscharrt. Mit einem Brett, das die Form
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