Der Hexenturm: Roman (German Edition)
gehen!«, versuchte Katharina ihn zu beruhigen. In diesem Augenblick drang ein lang gezogener Schmerzensschrei durch die geschlossene Stubentür, der Johann und Katharina zusammenzucken ließ. Ohne ein weiteres Wort lief die junge Frau in das Zimmer, wo Franziska gerade ihr Kind bekam. Beim nächsten Schrei hielt Johann sich die Ohren zu und rannte die Treppenstufen nach unten.
In der Küche wurde er von Clemens und Burghard erwartet, die ihm neugierig entgegenblickten.
»Was ist es?«, fragte Clemens, doch Johann schüttelte den Kopf. »Sie sagen mir nichts. Ich habe nur Franziska schreien hören.«
»Der Herr wird über deine Frau und dein Kind wachen!«, versuchte Burghard ihn zu trösten. Clemens warf ihm einen spöttischen Blick zu. Dann stand er auf und holte die kleinen Schnapsbecher und eine Flasche vom Regal. Er goss Birnenbrand in drei Gläser ein und prostete den beiden anderen zu: »Auf dass es ein strammer Junge wird!«
Noch bevor die Männer einen Schluck nehmen konnten, stürmte Katharina in die Küche und umarmte Johann.
»Du hast eine bildschöne Tochter bekommen!«
Johann traute sich kaum, das winzige Geschöpf zu berühren, das schlafend in Franziskas Armen lag. Er küsste seine Frau auf die Stirn und flüsterte: »Sie ist das schönste Mädchen weit und breit!«
Forschend blickte Franziska ihn an. »Du bist nicht enttäuscht, weil es kein Junge geworden ist?«
»Was redest du!«, schimpfte er leise. »Ich bin glücklich, dass du alles gut überstanden hast. Als ich dich schreien hörte, fühlte ich mich elend, weil ich dir nicht helfen konnte. Du machst mich mit der Kleinen stolz und glücklich.«
Zufrieden und erschöpft sank Franziska zurück auf ihr Lager und murmelte: »Dann bist du sicherlich damit einverstanden, wenn wir sie Magdalena nennen.«
Regina Rehmringer war über die Geburt des Kindes überglücklich. Wie eine Großmutter war sie darauf bedacht, dass es dem Mädchen und seiner Mutter an nichts fehlte. Als sie sah, wie einer der Knechte dem Kind mit verschmutzten Fingern über die Wange streichen wollte, schimpfte sie: »Niemand wird sich dem Kind mehr nähern, bis es getauft ist.« Die Angst, dass das Mädchen krank werden und ungetauft sterben könnte, veranlasste sie, noch am selben Tag nach Pfarrer Schnetter zu rufen, der auch sogleich kam. Nachdem sie mit ihm die Feierlichkeiten besprochen hatte, sagte sie: »Damit nichts passiert, darf Franziska mit dem Kind bis zur Taufe die Kammer nicht verlassen. Nicht auszudenken, wenn die Kleine unserem Herrgott ohne das heilige Sakrament der Taufe gegenübertreten müsste.«
Eine Woche später wurde die Tochter von Johann und Franziska Bonner auf den Namen Magdalena getauft. Voller Stolz hielt Clemens seine Patentochter über das Taufbecken, um sie dann an ihre Patentante weiterzureichen. Als Katharina Clemens die Kleine abnahm, blickten sie sich in die Augen. Katharina spürte einen Stich, denn sie ahnte seine Gedanken.
Clemens’ Herz schlug bei Katharinas Anblick schneller. Ich wäre ein glücklicher Mann, wenn es meine und Katharinas Tochter wäre!, dachte er bitter.
Regina Rehmringer ließ es sich nicht nehmen, zum Anlass der Taufe ein großes Fest auf dem Gestüt zu geben. Da das Wetter Anfang Mai es zuließ, dass im Garten gefeiert werden konnte, wurde das ganze Dorf eingeladen, die kleine Magdalena hochleben zu lassen.
Jeder Gast brachte dem Mädchen ein Geschenk mit. Vom Schmied bekam sie ein Hufeisen, das Glück bringen sollte. Der Sattler hatte eine kleine Puppe aus Leder genäht, der Korbflechter einen Weidenkorb geflochten, in dem das Mädchen sanft schlafen sollte. Einige Frauen hatten Kinderkleidung angefertigt, und vom Schuster erhielt Magdalena die ersten Schuhe.
Pfarrer Schnetter war von der Großzügigkeit der Bewohner von Wellingen beeindruckt. »Ihr braucht Euch um die fünf Eichsfelder nicht mehr zu sorgen«, flüsterte er Regina Rehmringer zu. »Die Wellinger heißen die Fremden willkommen und haben sie in der Dorfgemeinschaft aufgenommen.«
Regina Rehmringers Blick schweifte über die vielen Gäste. Einige betrachtete sie ein wenig länger.
»Ihr Wort in Gottes Ohr, mein lieber Pfarrer. Ich bin davon nicht recht überzeugt. Sicherlich ist der eine oder andere nur gekommen, weil Ihr hier an der Tafel sitzt. Manch anderer erweist uns die Ehre, da die Tische mit Köstlichkeiten gedeckt sind, die sich die wenigsten leisten können. Seht, Herr Pfarrer, da drüben der alte Glaser
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