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Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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einer Bärentatze hat, haben sie die Fußabdrücke in den Waldboden gedrückt und Blut darübergekippt. So kam das Gerücht auf, dass ein Menschenfresser in unseren Wäldern sein Unwesen treiben würde. Simon wurde ihr letztes Opfer. Er war ihnen auf die Schliche gekommen und bezahlte sein Wissen mit dem Leben. Jetzt hat man die Dirne in das andere Verlies gesperrt und wird ihr den Prozess machen.«
    »Aber Simon hat gesehen, wie der Bär sein eigenes Junges zerfleischt hat«, warf Bonner ein.
    Der Bursche zuckte mit den Schultern und sagte: »Dazu kann ich nichts sagen. Das spielt auch keine Rolle mehr. Du bist frei!«
    Bonner erhob sich und stand schwankend vor den Burschen. Fassungslos fragte er: »Wer lässt mich frei? Der Graf?«
    »Nein, wir lassen dich frei, denn wir glauben, dass Simon dich unerlaubt festgehalten hat und dass keiner davon weiß.«
    Zuerst verschlug es Bonner die Sprache, doch dann brüllte er, so laut es seine Stimme zuließ: »Ich bin nicht angeklagt? Dieser Mistkerl hat mich ohne den Befehl seines Herrn eingesperrt?«
    Die Burschen sahen sich an und nickten. »So wird es wohl gewesen sein.«
    »Nur ihr beiden wisst, dass ich hier unten sitze?«, fragte der Bauer ungläubig. Wieder nickten die jungen Männer.
    »Ich hätte verfaulen können, und niemand hätte es bemerkt!«, flüsterte Bonner und setzte sich erschöpft auf den Boden.
    »Damit wir keinen Ärger bekommen, wäre es förderlich, wenn du dich sogleich auf den Weg machst und Greifenstein verlässt.«
    »Warum sollte ich euch verschonen? Ihr habt mir Monate, vielleicht Jahre meines Lebens gestohlen.«
    »Übertreib mal nicht! Es ist Juni, und du warst nur wenige Monate hier unten.«
    Mit letzter Kraft sprang Bonner auf und packte einen der Männer am Kragen. »Weißt du, was du da sagst, Bürschchen?«
    Dem jungen Mann schlug Bonners fauler Atem entgegen. Angewidert stieß er den Bauern zu Boden. »Fass mich ja nicht an! Wenn wir wollen, lassen wir dich hier unten verrotten. Also sei dankbar, schwing dich auf das Pferd, das wir dir großzügig überlassen, und verschwinde.«
    Bonner schlug die Hände vors Gesicht. »Ihr wisst nicht, was ihr mir angetan habt!«

     
    Auf einer klapprigen Mähre verließ Bonner mitten in der Nacht Burg Greifenstein. Müde und kraftlos hing er auf dem Gaul. Sein starkes Pferd, seine Habseligkeiten und sein Geld waren fort. Die Burschen hatten ihm nur einen Beutel mit Essen und einen Schlauch mit Wasser gelassen.
    »Und dafür muss ich ihnen auch noch dankbar sein!«, murmelte Bonner erschöpft. Da sein Körper durch die lange Haft entkräftet war, konnte er sich nur mit Mühe im Sattel halten. Trotzdem wagte er es nicht zu rasten, da er sich schnell von Burg Greifenstein entfernen wollte. So begnügte er sich damit, Schritt zu reiten, und kam nur sehr langsam voran. Immer wieder nickte er ein und rutschte dabei fast aus dem Sattel.
    Bonner versuchte sich die Müdigkeit aus dem Gesicht zu wischen und atmete die kühle Nachtluft tief ein. Je weiter er sich vom Kerker entfernte, desto deutlicher wurde ihm bewusst, wie bestialisch er stank. Als er in der Nähe einen Bach rauschen hörte, ritt er darauf zu. Ächzend ließ er sich aus dem Sattel auf den Boden gleiten.
    Die Monate im Kerker hatten eindeutige Spuren hinterlassen. Er war völlig entkräftet und hatte stark abgenommen, so dass seine Kleidung lose an ihm herunterhing. Immer wieder rutschte ihm die Hose vom Leib, so dass er sie mit beiden Händen festhalten musste.
     
    Langsam setzte die Morgendämmerung ein. In der Aue konnte er vereinzelt äsende Rehe ausmachen. Vögel zwitscherten, und ein Specht hämmerte mit seinem Schnabel auf einen Baumstamm.
    »Wie schön die Natur doch ist«, flüsterte Bonner und streifte sich umständlich das Hemd über den Kopf. Dann entledigte er sich seiner Hose. Stiefel besaß er keine mehr.
    Nackt stand er in dem Bach und blickte angestrengt auf sein Spiegelbild im Wasser, das er nur vage erkennen konnte.
    Seine Augen, die tief in den Höhlen lagen, brannten und tränten vom ersten Morgenlicht. Ein struppiger Bart bedeckte seine hohlen Wangen und reichte ihm fast bis auf die Brust. Seine Haare waren lang, spärlich und verfilzt. Überall auf dem Körper hatte er rote Flecken und vereiterte Pusteln, die juckten. Seine Haut hing schlaff an seinem ausgemergelten Leib, und darunter zeichnete sich jede Rippe ab. Auf Beinen, dünn wie Kienspane, stolperte er durch das kühle Nass.
    Obwohl das Wasser so kalt war, dass

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