Der Hexenturm: Roman (German Edition)
Franziskaner und schimpfte: »Warum machst du so ein Geheimnis daraus? Du weißt über mich mehr als ich über dich!«
Erneut blieb Barnabas stehen und sagte spöttisch: »Was ich von dir weiß, würde ich liebend gern nicht wissen!«
Servatius begriff sofort, worauf der Magier anspielte, und schwieg fortan.
Als sie am Abend des zweiten Tages Mainz vor sich liegen sahen, beschleunigte Servatius seinen Schritt. Barnabas sagte nichts, obwohl er ihm nur mühsam folgen konnte. Erst als die Stadt hinter ihnen lag, wurde der Gang des Mönchs wieder langsamer. Erschöpft schlug Barnabas vor: »Lass uns einen Lagerplatz suchen. Es ist bereits spät, und ich bin hungrig und durstig!« Niemals hätte er zugegeben, dass seine Knie schmerzten und sein Herz von der Anstrengung raste.
In einem Waldstück fanden sie vor einem umgestürzten Baum einen geschützten Platz für die Nacht. Unaufgefordert suchte Servatius trockenes Holz, um ein Feuer zu entfachen. Währenddessen setzte sich Barnabas auf den Baumstamm und durchsuchte seine Tiegel nach einer bestimmten Paste. »Wolfsgelegena«, murmelte er leise vor sich hin. Er öffnete jedes Gefäß und schnupperte daran, bis er die richtige Salbe gefunden hatte. Mit den Spitzen von Zeige- und Mittelfinger nahm er von dem cremigen Balsam, der aus dem Öl der gelblichen Arnikablüte und Bienenwachs hergestellt wurde. Sorgsam rieb er seine schmerzenden Knie damit ein und verband sie mit einem Leinenschal. Erneut nahm er von der Paste, doch dieses Mal nur eine erbsengroße Menge und verrieb sie über seine Finger. Dabei verzog er leicht das Gesicht.
Servatius kam mit einem Bündel dürrer Äste auf dem Arm zurück und fragte: »Geht es dir nicht gut?«
»Was kümmert es dich?«, brummte Barnabas und strich sich über die kleinen Verdickungen seiner Fingergelenke.
»Ich werde Wasser erhitzen und einen Kräutersud aus Birken-und Brennnesselblättern aufbrühen. Er hilft gegen den Gichtschmerz.« Erstaunt blickte der Magier auf. Servatius’ Gesicht verriet keinen seiner Gedanken, und Barnabas konnte nichts Hinterhältiges in seiner Mimik erkennen. Trotzdem beobachtete er den Mönch argwöhnisch, denn seine Hilfsbereitschaft war ungewohnt.
Der Franziskaner tat, als bemerke er Barnabas’ Blick nicht. Er riss frische Äste von den Tannen ab und bedeckte damit breitflächig den Boden vor dem Baumstamm. Nachdem er trockenes Laub darübergestreut hatte, forderte er den Magier auf: »Leg dich hier auf das gepolsterte Lager. Das wird deinen Knochen guttun.«
Barnabas setzte sich und lehnte sich entspannt gegen den Stamm. Erneut musterte er den Mönch. Als er auf dem Gesicht des Mönchs einen freundlichen Ausdruck entdeckte, fragte er: »Was führst du im Schilde? Willst mich wohl im Schlaf ausrauben oder gar umbringen!«
Servatius lachte laut auf. »Warum sollte ich mir dann die Mühe machen und dir ein Lager herrichten? Dich ausrauben und umbringen kann ich auch, wenn du auf dem nackten Boden schläfst.«
Mehr sagte der Franziskaner nicht, sondern entfachte mit Zunderschwamm und Feuerstein das trockene Holz. Dann suchte er zwei Steine und legte sie rechts und links neben das Feuer. Auf die Steine stellte er einen Topf, so dass die Flammen den Topfboden berührten, und goss aus dem mitgeführten Schlauch Wasser hinein. Barnabas hatte in der Zwischenzeit die Beutel mit Brennnessel und Birkenblättern in seinem Korb gefunden. Er nahm eine kleine Menge und füllte die trockenen Blätter in ein Leinensäckchen, das er in das kochende Wasser hängte. Schon bald verfärbte sich das Wasser bräunlich. Nachdem der Sud lange genug gezogen hatte, goss Servatius ihn in eine Schüssel und reichte sie Barnabas. Schlürfend trank der Magier kleine Schlucke.
»Ah, das tut gut«, freute er sich. Nachdem sie Blutwurst und Brot gegessen hatten, sagte Servatius plötzlich: »Ich will das Brauchen lernen!«
Sein freundlicher Blick war verschwunden, stattdessen waren seine Gesichtszüge hart geworden. Barnabas presste seine Lippen zusammen. »Ich dachte mir schon, dass du nichts umsonst tust!«
Servatius verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. »Warum sträubst du dich? Sei froh, dass dein Wissen nicht verloren gegangen ist, wenn du vor unserem Schöpfer stehst.«
»Nur, weil ich Gicht habe, heißt das nicht, dass ich sterben werde.«
»Nicht an Gicht – das stimmt wohl! Aber wie ich bereits sagte, deine Tage sind gezählt. Deine Ader am Hals schwillt dick an, sobald dein Blut in Wallung
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