Der Hexenturm: Roman (German Edition)
versorgt hatte. Wo hat man den Verletzten dann hingebracht? Wo ist er abgeblieben? Verflucht! Ich kann Münzbacher nicht gestehen, dass ich versagt habe und der Bursche ganz in der Nähe war.
Während er noch grübelte, war Hastenteufel zurück zur Uferböschung gegangen und hatte sich niedergekniet. Seine Nase berührte beinahe den Boden, als er nach weiteren Hinweisen suchte. Er entdeckte verschiedene Tierspuren, aber darunter auch noch deutlich die Abdrücke von Schuhen. Erstaunt stellte er dabei fest, dass mehrere Menschen dem jungen Arnold geholfen haben mussten. »Ein leichter Schuhabdruck, der von einer Sandale stammen könnte. Ein tiefer Abdruck von einem Absatzschuh, wie ihn Wohlhabende oder Städter tragen, und ein Abdruck, den ein Bundschuh verursachen könnte. Wie kommen drei so unterschiedliche Männer an ein und denselben Ort?«
Da es jedoch schon spät war, beschloss er, Münzbacher erst am nächsten Morgen aufzusuchen, um ihm das Erstaunliche mitzuteilen.
Kaum war die Sonne aufgegangen, eilte Hastenteufel zum Gehöft der Arnolds. Wilhelm Münzbacher wollte gerade zu seiner Frau in die Kutsche steigen, als er ihn gewahr wurde. Grimmig kam er auf ihn zu, zog ihn am Ärmel zur Seite und knurrte leise: »Was willst du hier?«
»Ich habe eine Spur!«
»Was soll das heißen? Ich war überzeugt, dass du die Angelegenheit mittlerweile aus der Welt geschafft hast.«
Adam Hastenteufel überhörte den Vorwurf und sprach weiter: »Drei Leute müssen ihm geholfen haben. Ein Wohlhabender, ein Bauer und einer, der Sandalen trägt.«
Münzbachers Gesichtsausdruck hatte sich mit jedem Wort verhärtet. »Sandalen? Das war der Mönch! Ich ahnte, dass er Unglück bringen würde«, presste er hervor und erklärte: »Kurz nach Clemens’ Verschwinden tauchte ein Bettelmönch im Ort auf. Ich habe ihn erwischt, als er sich an meinem Essen labte, und ihn aus dem Haus gejagt. Danach bin ich ihm im Wald ein weiteres Mal begegnet. Er trug einen Sack voll Adlerfarn und verschwand damit zwischen den Bäumen.«
»Adlerfarn lindert die Schmerzen bei Brandverletzungen«, sagte Hastenteufel ruhig.
»Gott vermaledeit!«, fluchte Münzbacher und befahl: »Du wirst in Dingelstedt erneut jeden Winkel nach ihm absuchen und hier auf mich warten. Ich muss eine weitere Angelegenheit regeln.« Mit diesen Worten war er in die Kutsche gestiegen und hatte Hastenteufel keines Blicks mehr gewürdigt.
Als Adam Hastenteufel Wilhelm Münzbacher das nächste Mal sah, lag er in einer Holzkiste. Seine Frau hatte ihn tot von ihrer Reise zum Hülfensberg zurückgebracht. Die Leute erzählten sich, dass Münzbacher dort unglücklich auf einen Stein gefallen und an einer Kopfverletzung gestorben sei. Da selbst der Vogt von Bischofstein keine Zweifel hegte, dass es sich genau so zugetragen hatte, wie Anna Münzbacher behauptete, schenkten auch die Dorfbewohner den Aussagen der Frau Glauben. Mitleidig sahen sie Anna hinterher. Nur Adam Hastenteufel war sich sicher, dass die Geschichte erlogen war.
Der Auftragsmörder vermutete, dass Münzbachers Tod kein Zufall gewesen war. Und so hatte er tagelang auf der Lauer gelegen, um zu erfahren, was wirklich dahintersteckte. Heimlich war er Anna Münzbacher auf den Friedhof gefolgt und hatte dort schließlich das Gespräch zwischen ihr und dem Arzt Friedrich Schildknecht belauscht. Dabei hatte er erfahren, dass Clemens nicht mehr allein unterwegs war, sondern mit vier Begleitern reiste. Auch der Hinweis, dass das Gesicht des Burschen durch den Brand entstellt worden war, würde ihm die Suche leicht machen.
Obwohl sein Auftraggeber tot unter der Erde lag, würde Adam Hastenteufel seinen Auftrag ausführen. Nicht nur, weil Münzbacher ihn reichlich entlohnt hatte, sondern auch, weil ihm das Jagen Spaß machte. Und ihm würde keiner entkommen, auf den er es einmal abgesehen hatte, das schwor er sich.
Hastenteufel hatte sich noch am selben Tag auf den Weg zum Hülfensberg gemacht, denn dort hatten Clemens und seine Begleiter sich zuletzt aufgehalten. Ohne Schwierigkeiten fand er heraus, dass die Flüchtenden nach Eschwege gezogen waren, denn wie eine Herde Pferde hatten sie Spuren hinterlassen, denen er nur zu folgen brauchte. Doch als in Eschwege Hexenprozesse begannen und die Menschen zu den Hinrichtungen von überallher in die Stadt strömten, verlor Hastenteufel ihre Fährte. Schon wollte er nach Dingelstedt zurückkehren, als er während eines Schäferstündchens mit einer Fischerin hörte,
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