Der Hexenturm: Roman (German Edition)
von ihrem Becher auf.
»Bereits im Sommer, als mein lieber Sohn Melchior durch den Hoxberger Wald nach Hause geritten ist, erzählte er mir, dass er in der anbrechenden Dunkelheit mehrere schwarze Schatten beobachtet hätte. Ich glaubte ihm damals nicht, da er in Lebach mit den Herrschaften von Hagen einen guten Verkaufsabschluss getätigt und einige Gläser zu viel getrunken hatte. Doch seine Beschreibung deckt sich mit deiner, Burghard.«
»Das ist unheimlich!«, flüsterte Franziska und sah Johann ängstlich an. »Der Geist des Grenzsteingängers hat mich letzte Nacht schon im Traum verfolgt. Jetzt kann ich sicherlich gar nicht mehr schlafen.«
»Hat euch Valentin die Geschichte von dem geizigen Bauern erzählt?«
Die jungen Leute nickten.
Nun gluckste die Frau laut auf. »Valentin ist dafür bekannt, dass er die Spukgeschichte so erzählt, als sei sie wahr. Aber ihr dürft ihm nicht glauben. Er wollte euch sicher nur erschrecken.«
»Aber was ist mit den schwarzen Schatten?«, fragte Franziska.
»Ich hoffe, dass wir das bald herausfinden werden«, erwiderte Frau Rehmringer.
Kapitel 21
Servatius blieb mehrere Tage verschollen. Barnabas sah ihn erst wieder, als die Einwohner von Weierweiler sich erneut in dem Gasthaus zusammenfanden, um das Urteil über Barbara Backes zu hören. Obwohl jeder wusste, wie der Spruch lauten würde, versammelte sich Alt und Jung erwartungsvoll im Schankraum. Aufgeregt sprachen sie durcheinander.
Barnabas ließ den Blick prüfend über die Anwesenden schweifen. Ihm war, als fehlten einige Personen.
Servatius stand derweil neben dem Tisch des Ausschusses und schaute selbstgefällig um sich. Als Barnabas in das zufriedene Gesicht des Mönchs blickte, seine glänzenden Augen und seine blutigen Fingerkuppen sah, von denen er sich die Haut seitlich abgerissen hatte, ahnte der Magier, dass man Barbara Backes die Folterinstrumente nicht nur gezeigt hatte, sondern dass diese auch zur Anwendung gekommen waren. Noch bevor die Frau in den Raum geführt wurde, wusste Barnabas, dass man ihr große Schmerzen zugefügt hatte, an denen sich Servatius sichtlich ergötzt hatte.
Angewidert wandte der Magier den Blick ab, als sich die Seitentür öffnete und Barbara Backes hereingeführt wurde. Der Magier schloss die Augen, denn das, was er sah, überstieg seine schlimmsten Befürchtungen. Barbara Backes war kahl rasiert und sichtbar verwirrt. Im ganzen Gesicht und überall an Armen und Beinen hatte sie verkrustete Wunden, Schwellungen und blutunterlaufene Stellen. Sie wimmerte vor Schmerz und hatte nichts mehr gemein mit der Frau, die noch vor wenigen Tagen im gleichen Raum gestanden und ihre Unschuld beteuert hatte.
Barnabas war zwar überzeugt, dass Foltern für die Wahrheitsfindung unumgänglich war. Doch diese harte Anwendung der Tortur, der man Barbara Backes offensichtlich unterzogen hatte, war ihm zuwider.
Als man die Frau, die auf ihren verstümmelten Füßen kaum stehen konnte, rücksichtslos vor das Pult des Ausschusses stieß, ging ein Raunen durch die Menge. Manch einer wandte sich entsetzt ab.
Mit verächtlichem Blick sah der Magier nun die vier Männer an, die die Verantwortung für den Zustand der vermeintlichen Hexe trugen. Doch sein ganzer Zorn galt Servatius, in dessen Blick Freude und Genugtuung zu erkennen waren.
Ungerührt und mit teilnahmsloser Stimme verkündete der Ausschussvorsitzende, der Mann mit den Krötenaugen, dass Barbara Backes nach eingehender Befragung geständig gewesen sei. Sie habe nach der peinlichen Befragung nicht nur zugegeben, Schadenszauber über das Dorf gelegt zu haben, sondern auch gestanden, dass ihre Stieftochter Maria die Wahrheit sage und sie das Kind zum Hexensabbat mitgenommen habe. Und sie selbst sei, so wie einige andere Frauen aus dem Dorf, vom Teufel verführt worden und habe mit ihm Unzucht getrieben.
»Außerdem«, dröhnte die Stimme des Krötengesichts durch den Saal, »ist es dem Ausschuss gelungen, die Namen dieser anderen Hexen in Erfahrung zu bringen. Die genannten Frauen sind vom Ausschuss in Gewahrsam genommen worden und werden ebenfalls der Zauberei anklagt.«
Nach dieser Verkündung ging ein Raunen durch den Saal, und die Leute schauten sich fragend an. Vereinzelt hörte man geflüsterte Namen von Frauen, die verhaftet worden waren.
Barnabas hatte sich nicht getäuscht. Nach seiner Schätzung fehlten sieben Frauen, die vor wenigen Tagen während der Anklageerhebung anwesend gewesen waren.
Der Mann mit
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