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Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit

Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit

Titel: Der Hexer - GK579 - Das Haus am Ende der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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aber es hatte aufgehört.
    »Mein Gott«, flüsterte Howard neben mir. »Das war knapp. Zehn Sekunden später, und ...«
    Er sprach nicht weiter, aber ich wußte, was er meinte. Das Haus stand noch, aber es wäre, wenn der bizarre Verfall im gleichen Tempo fortgeschritten wäre, nur noch eine Frage von Augenblicken gewesen, ehe es wie ein Kartenhaus über uns zusammenstürzte und uns unter seinen Trümmern begraben hätte. Das Dach war bereits eingesunken, und ein Teil der Südwand stand sichtlich schräg. Selbst der tonnenschwere Türsturz hatte sich aus seiner Verankerung gelöst und hing deutlich zur Seite geneigt über dem Eingang.
    »Das Licht«, murmelte Howard. »Was ist mit dem Licht?«
    Instinktiv hob ich den Blick. Der sternenübersäte Nachthimmel war verschwunden und hatte einer seltsamen, grauen Farbe Platz gemacht. Weder Mond noch Sterne waren zu sehen, aber dabei war es trotzdem so hell wie während der frühen Morgendämmerung, kurz bevor sich die Sonne am Horizont zeigte. Aber es war keine Sonne zu sehen.
    Ich schauderte. Irgend etwas an diesem Licht flößte mir Angst ein, ein spürbares, körperliches Unbehagen. Der Himmel war grau, von einer Farbe wie mattes geschmolzenes Blei. Er wirkte krank.
    »Gehn wir«, murmelte Rowlf. »Is mir egal, was mittem Licht is. Ich will weg.«
    Weder Howard noch ich widersprachen. Im Grunde sprach Rowlf nur das laut aus, was wir alle fühlten – nämlich nichts anderes als den Wunsch, so schnell wie möglich hier weg zu kommen, und so weit wie möglich.
    Aber ich glaube auch, wir alle drei spürten, daß es uns nicht gelingen würde ...
    Howard löste mit sichtlicher Überwindung seinen Blick vom Haus, drehte sich um und deutete schweigend auf einen zusammengesunkenen Umriß ohne erkennbare Form; alles, was von unserer Kutsche übrig geblieben war. Keiner von uns verlor auch nur ein Wort darüber.
    Langsam gingen wir los. Der Kies knirschte unter unseren Schuhen, als wir den gewundenen Weg zum Tor hinabgingen, aber dieser Laut war auch der einzige, den ich hörte. Es war still; vollkommen still. Es gab keine Vogelstimmen, nicht das Wispern des Windes in den Baumkronen. Der Wald vor uns war starr, reglos und stumm, wie eine massive, erstarrte grüne Mauer, und selbst die Luft erschien mir zäh wie Sirup. Das Atmen fiel mir schwerer, je weiter wir uns dem Wald näherten. Meine Schritte wurden langsamer. Ich hatte das Gefühl, durch unsichtbare Watte zu gehen; einen Widerstand, der fast unmerklich, aber auch unerbittlich stärker wurde, je näher wir dem Wald kamen.
    Etwas an diesem Wald war seltsam. Im ersten Moment vermochte ich das Gefühl noch nicht in Worte zu kleiden, aber dann begriff ich: Aus der Ferne hatten die Bäume noch ganz normal ausgesehen, aber je weiter wir uns vom Haus entfernten, desto mehr zerschmolz dieser Eindruck. Schließlich blieb ich stehen.
    »Was ist?« fragte Howard. Seine Stimme bebte vor Erschöpfung.
    Ich deutete mit einer knappen Geste auf den Wald. Die Bewegung erforderte erstaunlich viel Kraft, und plötzlich war ich sicher, daß es keine Einbildung war. Ich glaubte nicht nur, schwerer zu atmen, und ich bildete mir nicht nur ein, daß Howards und Rowlfs Atemzüge ebenfalls lauter und mühsamer geworden waren, so wenig, wie ich mir den Widerstand einbildete, der sich uns entgegenstemmte. Irgend etwas zerrte an meinen Gliedern.
    »Der Wald«, murmelte ich. »Sieh ... sieh dir die Bäume an.«
    Howard runzelte die Stirn, sah mich einen Moment voller Verwirrung an, gehorchte dann aber.
    Auf seinen Zügen erschien ein Ausdruck maßloser Verblüffung. »Aber das ...« Er schluckte, machte einen Schritt und blieb stehen, als wäre er vor eine unsichtbare gläserne Wand gelaufen.
    »Wassndas?« murmelte Rowlf. Sein Atem ging schwer, als wäre er die ganze Strecke gerannt, und als ich zu ihm hinübersah, fiel mir auf, wie gebückt er dastand. Auf seinen Schultern schien ein unsichtbares Gewicht zu lasten. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß.
    »Das ist nicht möglich«, murmelte Howard noch einmal.
    Ich runzelte die Stirn, schüttelte hilflos den Kopf und sah erneut zu den Bäumen hinüber, die sich auf so sonderbare Weise verändert hatten.
    Eigentlich waren es gar keine richtigen Bäume mehr. Ihre Stämme waren schuppig und viel dicker, als sie hätten sein dürfen. Die Farbe stimmte nicht, und sie hatten keine Äste, sondern etwas, das mich vage an gigantische Farnwedel erinnerte. Grüngelbe, sonderbar verkrüppelte Pilzgewächse

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