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Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Titel: Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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sollte.
    Ich stand auf, hob den Arm und streckte die Hand nach Tornhill aus. »Kommen Sie her«, sagte ich.
    Tornhill zögerte. Sein Blick tastete über meine bloße Hand, als fürchte er, daß sie sich jeden Moment in eine Schlange verwandeln könnte. Dann löste er sich von seinem Platz an der Tür, kam auf mich zu und berührte zögernd meine Finger.
    Ich griff zu, ehe er auch nur Gelegenheit fand, einen Schreckensschrei auszustoßen. Meine Finger schlossen sich mit aller Gewalt um die seinen und preßten sie zusammen.
    Und zum allerersten Mal in meinem Leben benutzte ich die Macht, die ich von meinem Vater geerbt hatte, in vollem Umfang.
    Es war grauenhaft.
    Mein Geist – ein Teil meines Geistes, etwas, von dem ich bisher nicht einmal wirklich gewußt hatte, daß es existiert, etwas Dunkles und Finsteres, das aus den tiefsten Abgründen meiner Seele emporquoll wie finstere Lava – berührte seinen Geist, zerschmetterte die Barrieren, die das menschliche Bewußtsein vor Wahnsinn und Verfall schützt, mit einem einzigen Schlag.
    Für einen Moment, einen furchtbaren, zeitlosen Moment, nicht mehr als den millionsten Teil einer Sekunde vielleicht, waren wir eins. Es war nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich las nicht seine Gedanken oder übermittelte ihm Wissen – ich war Tornhill. Sein Leben, der ganze, ungeheure Schatz an Erfahrungen und Informationen, die in den millionenfach verschlungenen Windungen seines Gehirns gespeichert waren, war plötzlich in mir.
    Ich erinnerte mich, erinnerte mich an jede Sekunde seines Lebens, jeden Triumph, jede Niederlage, jedes Gespräch, jede Schmach und jede Peinlichkeit, jede einzelne Erfahrung, die er irgendwann einmal gemacht hatte, durchlebte fünf Jahrzehnte in Millisekunden und wußte.
    Und er war ich. Der entsetzte Ausdruck in seinen Augen sagte es mir, daß er umgekehrt das gleiche erlebte wie ich, daß er Robert Craven war, der Sohn des Hexers, meine Jugend, mein Leben als Tagedieb in den Slums von New York miterlebte, den Schrecken spürte, als mir meine wahre Identität enthüllt wurde, das ungläubige Entsetzen, als ich begriff, daß es hinter unserer Welt noch eine zweite, schrecklichere gab, meine Furcht, das erdrückende Gefühl der Hilflosigkeit...
    Unsere Hände lösten sich mit einem Ruck. Ich taumelte, sank auf die Pritsche zurück und verbarg das Gesicht in den Händen, während Tornhill wie versteinert stehenblieb und mich aus entsetzt aufgerissenen Augen anstarrte.
    Sein Gesicht hatte alle Farbe verloren. Seine Lippen bebten, und plötzlich begannen seine Hände zu zucken, als hätte er die Kontrolle über seine Glieder verloren. »Was...« krächzte er. »Mein Gott, Craven, was... was haben Sie... getan?«
    »Das wollte ich nicht«, murmelte ich. Auch meine Stimme zitterte, und ich spürte, wie ich mehr und mehr die Beherrschung zu verlieren begann. Das Entsetzen lähmte mich. Ich war über seine Seele hergefallen, hatte an den ureigensten Geheimnissen dieses Mannes gerüttelt und an den Tag gezerrt, was nur ihm gehörte und was kein anderer Mensch auf der Welt zu wissen berechtigt war. Ich hatte ihn gezwungen, mein eigenes Leben zu teilen, hatte seine Seele vergewaltigt, vielleicht die Grundlage all dessen, woran er glaubte, zerstört. Ich hatte das Leben eines Menschen seziert, nur weil ich es wollte, kraft eines einzigen, unbedachten Gedankens. Plötzlich wurde mir klar, welch ungeheure Macht mir Roderick Andara hinterlassen hatte!
    »Das wollte ich nicht, Tornhill«, keuchte ich. »Bitte, glauben Sie mir! Ich... ich wußte nicht, was ich tat. Verzeihen Sie mir – bitte?«
    Tornhill machte einen schwerfälligen Schritt auf mich zu, hob die Hand und berührte mich beinahe sanft an der Schulter.
    »Es ist in Ordnung, Robert«, sagte er. »Ich weiß, daß du... daß du das nicht geahnt hast.« Er atmete hörbar ein, fuhr sich nervös mit der Zungenspitze über die Lippen und setzte sich neben mich auf die Pritsche.
    Ich glaubte zu ahnen, was in ihm vorging, und wenn es nur halb so schrecklich war wie das, was ich in diesem Moment durchmachte, dann ging er durch die Hölle.
    »Verzeihen Sie mir«, murmelte ich noch einmal. »Ich wollte das nicht. Ich wollte nur, daß... daß Sie mir glauben.«
    Tornhill lachte, aber es klang wie ein Schrei in meinen Ohren. Plötzlich packte er mich, riß mich mit brutaler Kraft an den Schultern herum und schüttelte mich wild. »Ist das alles wahr?« brüllte er. »Sagen Sie die Wahrheit, Craven! Wenn es ein

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