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Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Titel: Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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Trick war, um –«
    Behutsam löste ich seine Hände von meinen Schultern, rutschte ein Stück zurück und schüttelte den Kopf. »Es war kein Trick, Tornhill!« sagte ich.
    Er wußte, daß ich die Wahrheit sprach. Er hatte keine Sekunde daran gezweifelt. Sein plötzlicher Ausbruch war nur ein letzter, verzweifelter Versuch gewesen, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen.
    Tornhill stöhnte, ließ sich mit geschlossenen Augen gegen die Wand sinken und begann krampfhaft zu schlucken. »Das... das ist schrecklich«, keuchte er.
    »Aber es ist die Wahrheit«, sagte ich. »Und ich fürchte, es wird noch viel mehr Schreckliches geschehen, wenn wir nicht zu Rowlf gehen und versuchen, herauszubekommen, was er uns sagen wollte.«
    Tornhill nickte, sah mich aber nicht an.
    Auch nicht, als wir wenig später das Gebäude von Scotland Yard verließen und in einer vierspännigen Kutsche nach Norden fuhren, auf das Regency-Hospital zu.

    * * *

    Das Hospitalgebäude war selbst während der Nacht von Licht und Leben erfüllt.
    Rowlfs Zimmer lag ganz am Ende eines der zahllosen Korridore, die das Hospital wie die Gänge eines steinernen Ameisenbaues durchzogen. Vor der Tür hielt ein Polizist in der schwarzen Uniform der Londoner Bobbys Wache, der sich bei Tornhills Auftauchen straffte und einen diensteifrigen Ausdruck auf seine verschlafenen Züge zu zaubern versuchte. Tornhill scheuchte ihn mit einer Handbewegung aus dem Weg, öffnete die Tür und wedelte unwillig mit den Armen, als uns der Arzt, der uns zu Rowlfs Zimmer geleitet hatte, folgen wollte.
    »Wir müssen allein mit ihm sprechen«, sagte er.
    Der Arzt zögerte sichtlich.
    »Der Mann ist schwerkrank!« sagte er. »Ich weiß nicht, ob es –«
    »Aber ich«, unterbrach ihn Tornhill ärgerlich. »Wir machen es kurz, Doktor, das verspreche ich – aber wir müssen mit ihm reden, und zwar allein.«
    Einen Moment lang leistete der Arzt noch Widerstand; aber nur mit Blicken, nicht mehr mit Worten. Dann fuhr er auf dem Absatz herum und stapfte beleidigt davon.
    Tornhill grinste geringschätzig, trat noch einmal auf den Gang hinaus und überzeugte sich davon, daß niemand in der Nähe war, der uns belauschen konnte, ehe er die Tür schloß.
    Rowlf lag allein in dem Zimmer; zwei weitere Betten standen leer. Er schlief; zumindest waren seine Augen geschlossen, und er regte sich nicht, auch nicht, als sich Tornhill über ihn beugte und seine Hand berührte.
    »Lassen Sie mich versuchen«, sagte ich leise. Tornhill blickte mich einen Moment zweifelnd an, dann nickte er und trat beiseite, um mir Platz zu machen.
    Ich erschrak zutiefst, als ich Rowlfs Gesicht sah. Er war gewaschen und ärztlich versorgt worden, aber er bot jetzt einen beinahe noch schrecklicheren Anblick als am Morgen, als er mit letzter Kraft aus dem Sumpf gekrochen war. Seine Stirn glänzte fiebrig, und seine Wangen waren eingefallen und mit grauen Schatten belegt. Seine Lippen waren gesprungen, und ein rascher Blick auf seine Hände zeigte mir, daß seine Fingernägel abgebrochen und gesplittert waren, als hätte er versucht, sich mit bloßen Händen durch die Erde zu wühlen. Sein Körper zitterte unter der Bettdecke, als hätte er Schüttelfrost.
    Vorsichtig beugte ich mich vor, legte die Hand auf seine Stirn und flüsterte seinen Namen. Rowlf stöhnte leise, bewegte den Kopf hin und her und öffnete für einen ganz kurzen Moment die Augen. Sein Blick war leer. Alles, was ich darin las, war ein tiefer, unglaublich tiefer Schrecken.
    »Er wacht auf«, flüsterte Tornhill.
    Ich gebot ihm mit einer hastigen Geste, zu schweigen, setzte mich auf die Bettkante und ergriff mit der Linken Rowlfs Hand, während ich die andere Hand auf seiner Stirn ruhen ließ. Immer wieder flüsterte ich seinen Namen, aber es dauerte sehr lange, bis er wieder eine Reaktion zeigte.
    Seine gesprungenen Lippen öffneten sich, und ein tiefes, schmerzerfülltes Stöhnen drang aus seiner Brust. Dann flogen seine Lider mit einem Ruck auf.
    »Es ist alles in Ordnung, Rowlf«, sagte ich rasch. Sein Blick war wild, und seine Hand preßte die meine plötzlich so fest, daß ich beinahe vor Schmerz aufgeschrien hätte.
    »Keine Angst, Rowlf«, fuhr ich in ruhigem Ton fort. »Du bist in Sicherheit. Alles ist gut.«
    »In... Sicherheit?« wiederholte er. »Was ist... wo... mein Gott, wo bin ich? Wie... Howard! Er hat –«
    »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen«, sagte Tornhill. »Sie sind im Hospital. Der Alptraum ist vorbei.«
    Rowlf

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