Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Titel: Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
gefallen. Die Worte »Irrenanstalt« und »lebenslänglich« waren ein paarmal vorgekommen, und noch einiges mehr.
    »Ich muß zu Rowlf«, sagte ich, leise und ohne ihn anzusehen. »Bitte, Tornhill – lassen Sie mich zu ihm. Meinetwegen legen Sie mich in Ketten und Fußeisen, aber ich muß zu ihm.«
    »Nein«, sagte Tornhill leise. »Nicht, ehe Sie reden.«
    »Sie würden mir nicht glauben, Tornhill«, antwortete ich.
    »Glauben?« Tornhill seufzte. »Sie müssen noch viel lernen, junger Freund«, sagte er, und in seiner Stimme war ein überraschend sanfter, verzeihender Ton. »Zum Beispiel, daß ein Polizist prinzipiell nichts glaubt, sondern sich von Tatsachen überzeugen läßt.« Er schüttelte den Kopf, lehnte sich gegen die Zellentür und sah abwechselnd mich und den rothaarigen Polizisten an, der wie ein Häufchen Elend zusammengesunken auf dem Rand meiner Pritsche hockte.
    »Erzählen Sie noch einmal, Devon«, sagte er. »Was ist passiert?«
    Devon sah auf. Tornhills Worte schienen ihn aus einer Trance geweckt zu haben. Sein Blick flackerte. »Ich... weiß es ja selbst nicht genau«, sagte er weinerlich. »Craven hat geschrien, und da war diese Stimme...«
    »Seine Stimme?«
    »Nein«, antwortete Devon, wenn auch nach langem Zögern und sehr unsicher. »Ich... glaube nicht. Ich bin sicher, daß es nicht seine Stimme war. Sie hat gelacht und... und etwas geflüstert. Etwas wie...« Er brach ab, starrte wieder zu Boden und begann verzweifelt mit den Händen zu ringen.
    »Wir kriegen dich, Robert«, sagte ich.
    Devons Kopf ruckte herum. Seine Augen weiteten sich. »Ja«, flüsterte er. »Sie... haben es auch gehört?«
    Diesmal hätte ich fast gelacht.
    »Weiter«, sagte Tornhill rasch, und Devon fuhr fort: »Als ich in die Zelle kam, war da dieses Licht, und...« Wieder stockte er, lächelte nervös und warf mir einen hilfesuchenden Blick zu.
    »Und das Gespenst«, stieß er schließlich hervor. Ich hörte, wie schwer es ihm fiel, das Wort auszusprechen.
    Seltsamerweise blieb Tornhill vollkommen ruhig. Er hatte auch keine Miene verzogen, als Devon seine Geschichte zum ersten Mal erzählt hatte.
    »Es... packte mich«, fuhr der Polizist nach einer Weile fort. »Und dann... dann geschah etwas mit mir. Ich... ich weiß nicht, was es war. Ich... es war... es war, als... als würde etwas aus mir herausgesaugt. Als...« Seine Stimme schwankte und drohte überzukippen. Er atmete ein paarmal tief ein, zwang sich zur Ruhe und sprach stockend und langsam weiter: »Es war, als würde ich innerlich aufgefressen. Anders kann ich es nicht beschreiben. Craven hat mich dann hinaus auf den Gang gestoßen, das ist alles, woran ich mich erinnern kann.«
    Er sprach nicht weiter, und auch Tornhill schwieg einen Moment. Dann lächelte er, trat von der Tür zurück und warf Devon einen auffordernden Blick zu. »Okay, Devon. Gehen Sie nach Hause und erholen Sie sich. Ich sage dem Captain Bescheid, daß Sie bis zum Ende der Woche bezahlten Krankenurlaub haben. Und – kein Wort zu irgend jemandem, verstanden?«
    Devon nickte, sprang auf und verließ beinahe fluchtartig die Zelle. Tornhill drückte die Tür wieder hinter ihm zu. »Und jetzt möchte ich den Rest der Geschichte hören«, sagte er an mich gewandt.
    »Auch, wenn er noch verrückter ist als das, was Sie schon gehört haben?« fragte ich.
    Tornhill lachte hart. »Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, daß ich prinzipiell nichts glaube, Craven«, sagte er. »Aber ich halte auch prinzipiell nichts für unmöglich, es sei denn, man beweist mir das Gegenteil. Was Devons Geschichte angeht – ich glaube nicht, daß es ein Gespenst war, das ihn überfallen hat. Aber ich weiß, daß er sich eine solche Geschichte nicht aus den Fingern saugen würde, um sich wichtig zu machen. Was ist wirklich passiert?«
    »Das weiß ich so wenig wie Sie«, antwortete ich niedergeschlagen. »Und das ist die Wahrheit, Tornhill. Ich weiß nur, daß mich jemand verfolgt, jemand oder besser gesagt – etwas.«
    »Und was ist dieses... Etwas?« fragte er betont. »Sicher nicht der Geist Ihrer Großmutter, der keine Ruhe finden kann, oder?«
    Ich starrte ihn an, preßte die Lippen zusammen und schwieg. Tornhills Miene verdüsterte sich, und ich spürte, daß er die Grenzen seiner Geduld erreicht und überschritten hatte.
    Und dann tat ich etwas, was ich nie zuvor in meinem Leben getan hatte; etwas, von dem ich nicht einmal wußte, ob es mir gelingen würde.
    Und das ich nie wieder in meinem Leben tun

Weitere Kostenlose Bücher