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Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Titel: Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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schwarze Herrschaft der Nacht brechen. Aber noch lag Dunkelheit wie eine finstere Glocke über der Stadt, ließ die Umrisse der Häuser zu flachen schwarzen Schatten verblassen und verwandelte die Straßen in finstere Schluchten.
    Es war sehr kalt, und am Zenit des tiefhängenden Himmels sammelten sich bereits wieder Wolken, um mit dem Beginn des neuen Tages eisigen Regen auf die Stadt herabregnen zu lassen.
    Ich war stehengeblieben, als das weite Oval des Ashton Place vor mir aufgetaucht war. Mein Herz jagte, und trotz der Kälte war ich in Schweiß gebadet. Ich war gelaufen, quer durch die Stadt, immer auf Nebenstraßen oder schmalen Gassen, damit ich niemandem begegnete oder gar einer Polizeistreife auffiel. Der Weg vom Bahnhof bis zum Ashton Place war nicht sehr weit – zwei, allerhöchstens drei Meilen; eine kurze Fahrt in einer Kutsche, und ein gemächlicher Spaziergang bei Tageslicht.
    Für mich war es ein verzweifeltes Wettrennen geworden und die drei Meilen hatten sich zu drei Ewigkeiten gedehnt.
    Länger als fünf Minuten blieb ich im Schatten des letzten Hauses stehen und beobachtete das weite, menschenleere Areal des Platzes. Jetzt, bei Nacht und verlassen, wirkte er wie ein stiller, bodenloser See, ein Loch in der Erde, in dem das Mondlicht versickerte. Ich wußte, daß es ein Trugbild war, nichts als Einbildung – meine Nervenkraft war am Ende, und meine Phantasie begann mir Dinge vorzugaukeln, die es nicht gab. Trotzdem brannte sich das Bild in mein Bewußtsein ein und verstärkte die Angst noch, die in meiner Seele wühlte.
    Umständlich wechselte ich das in braunes Packpapier eingeschlagene Paket vom linken in den rechten Arm und löste mich aus meiner Deckung. Ich ging nicht quer über den Platz, sondern umkreiste ihn, bemüht, stets im Schatten der Häuser zu bleiben.
    Nicht, daß es etwas genutzt hätte, darüber war ich mir im klaren. Necron war nicht darauf angewiesen, mich zu sehen. Wahrscheinlich wußte er schon lange, daß ich auf dem Wege war.
    Aber was ich tat und was ich dachte, stand nicht mehr im Einklang. Ich wollte nur noch dorthin, in dieses Haus am anderen Ende des Platzes, in dem der irrsinnige Magier auf mich wartete und Howard und Priscylla in seiner Gewalt hatte. Er würde mich töten, dessen war ich mir sicher. Aber in diesem Moment war es mir vollkommen gleich, was mit mir geschah. Alles was ich wollte, war, Priscyllas Leben zu retten.
    Der Weg kam mir viel weiter vor als sonst, und das Buch schien mit jedem Schritt schwerer zu werden. Eine dünne, aufdringliche Stimme in meinen Gedanken flüsterte mir zu, daß mein Vorhaben vollkommener Wahnsinn war. Necron würde mich töten, das Buch nehmen und Howard und Priscylla umbringen. Aber ich konnte nicht zurück. Der logische Teil meines Denkens war ausgeschaltet, machtlos, nicht mehr als eine Stimme, die kein Gehör mehr fand.
    Alles, woran ich denken konnte, war Priscylla, meine liebe, kleine Pri, die in der Gewalt dieses Ungeheuers war.
    Vor dem Gartentor hielt ich noch einmal an. Das schmiedeeiserne, drei Meter hohe Gitter war nur angelehnt, und für einen Moment bildete ich mir ein, hastig tapsende Schritte und das Hecheln von Atemzügen zu hören. Aber ich war allein. Was ich hörte, war nur meine Einbildung.
    Das Haus ragte wie ein Berg aus Schwärze vor mir auf, als ich das Gitter aufschob und auf den breiten, kiesbestreuten Weg trat, der zum Eingang hinauf führte. Hinter den bemalten Bleiglasfenstern rechts und links des Portals glomm gelbes Licht, und auch das Fenster der Bibliothek im ersten Stock war erleuchtet. Aber die Lichter wirkten verloren; das Haus war zu einer Festung des Bösen geworden. Zu einem Grab.
    Meinem Grab.
    Ich schob das Gitter hinter mir zu, straffte die Schultern und ging mit festen Schritten auf das Haus zu. Necron erwartete mich. Ich konnte seine Blicke spüren.
    Irgendwo links von mir raschelte etwas in den Büschen. Ich glaubte einen Schatten zu sehen, blieb stehen, sah mich erschrocken um – und erstarrte.
    Eine Gestalt trat neben mir aus den Büschen; ein Mann wie ein Koloß, groß, massig, mit einer glänzenden Stirnglatze.
    »Tornhill!« keuchte ich.
    Er nickte. Der Revolver in seiner Hand richtete sich langsam auf meine Stirn. Sein Zeigefinger spannte sich um den Abzug.
    »Schön, daß Sie mich wenigstens noch erkennen, Craven«, sagte er kalt. »Aber ich weiß nicht, ob Sie sich lange darüber freuen werden.«
    »Wie... wie kommen Sie...«, stotterte ich, brach verwirrt ab und blickte

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