Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten
seine sogenannten Brüder. Es ist... eine Art Organisation. Ein... Bund wie...«
»Eine Loge?« half ich aus.
Rowlf nickte. »Man könnte es so nennen. Ich weiß selbst nicht mehr darüber als ein paar Andeutungen, die Howard einmal entschlüpft sind. Ich habe ihn erst kennengelernt, als er bereits auf der Flucht vor ihnen war.«
»Aber warum?« fragte ich. »Wer sind diese Männer, und warum verfolgen sie Howard?«
»Weil er einmal zu ihnen gehört hat«, antwortete Rowlf. »Er war selbst Mitglied bei den...« Wieder stockte er und starrte einen Moment in sein Glas, dann fuhr er fort: »Bei diesen Leuten eben. Ich kann dir nicht mehr darüber sagen, aber sie sind mächtig, Robert.«
»Wenn sie mächtig genug sind, selbst Howard Angst einzujagen, dann müssen sie sehr mächtig sein«, sagte ich halblaut
Rowlf nickte. »Das sind sie. Und sie haben Howard zum Tode verurteilt, schon vor Jahren. Van der Groot und sein Spießgeselle waren nichts als Henker.«
»Van der Groot sitzt im Gefängnis«, sagte ich. »Und der andere ist tot.«
»Und?« Rowlf machte eine wegwerfende Geste. »Sie werden andere schicken.«
»Ist das der Grund, aus dem Howard packt?« fragte ich. »Weil er Angst hat, daß sie ihn –«
»Angst?« keuchte Rowlf. »Bist du bescheuert, Kleiner? Howard und Angst?« Er schnaubte, stellte sein Glas mit einem Ruck auf den Tisch und trat erregt einen Schritt auf mich zu. »Verdammt, wenn er Angst hätte, dann wäre ich jetzt nicht hier. Ich wäre froh, wenn es so wäre! Glaubst du, es würde mir etwas ausmachen, wieder vor ihnen davonzulaufen? Wir haben zehn Jahre Verstecken mit diesen Hunden gespielt. Nein, Howard hat keine Angst. Im Gegenteil.«
»Aber was... was willst du dann von mir?« fragte ich verwirrt.
»Howard hat sich entschlossen, nicht länger vor ihnen davonzulaufen«, sagte Rowlf düster. »Das ist das Problem, verstehst du? Er will zu ihnen.«
»Er will –«
»Nach Paris«, bestätigte Rowlf. »Er hat gesagt, daß es keinen Sinn mehr hätte, davonzulaufen. Er will sich ihnen stellen. Und sie werden ihn umbringen.« Plötzlich klang seine Stimme erregt, beinahe beschwörend. »Sprich du mit ihm, Robert. Auf mich hört er nicht mehr, aber vielleicht auf dich! Du mußt ihm diesen Wahnsinnsplan ausreden! Er glaubt, er könnte mit ihnen sprechen, aber ich weiß, daß sie ihn nicht einmal anhören werden!«
»Aber wie soll ich –«
Der Rest meiner Worte ging in einem markerschütternden Schrei unter, der aus dem Garten heraufscholl.
* * *
Der Mann wankte, griff mit unsicheren, fahrigen Bewegungen nach der einsam dastehenden Gaslaterne, verfehlte sie und schlug schwer auf dem Gehsteig auf.
Zwei, drei Sekunden lang blieb er reglos liegen, dann stemmte er sich taumelnd hoch, wankte wie ein Halm im Sturm hin und her und versuchte, einen Schritt zu machen. Prompt verlor er abermals das Gleichgewicht und fiel erneut, diesmal aber nur auf die Knie.
Seffinger beobachtete sein Treiben nun schon eine ganze Weile. Der Bursche mußte mehr als nur einen über den Durst getrunken haben, dachte er, während er zusah, wie sich der Mann erneut aufzurichten versuchte. Er war vor einigen Minuten aus der Dunkelheit aufgetaucht und zielstrebig auf das Gefängnis losmarschiert, schien aber dann die Orientierung verloren zu haben. Seither umkreiste er die Laterne und konnte sich offensichtlich nicht entschieden, in welche Richtung er nach Hause gehen – besser gesagt, fallen – sollte.
Jemand klopfte. Mort Seffinger schrak aus seiner Betrachtung hoch, rief ein deutliches »Herein« und wandte sich gleichzeitig vom Fenster ab. Die Tür wurde geöffnet, und ein vielleicht fünfzigjähriger, grauhaariger Mann in der schmucklosen schwarzen Uniform des Gefängnispersonals betrat die kleine Wachstube. Cowley, seine Ablösung.
»Hi, Mort«, begrüßte er Seffinger. Er lächelte, rieb fröstelnd die Hände über dem kleinen Kohleofen und beugte sich neugierig über das Wachbuch, das aufgeschlagen vor Mort auf dem Tisch lag.
»Was Besonderes?« fragte er.
Seffinger schüttelte den Kopf. »Nichts. Keine Neuzugänge – auch keine angekündigt – keine Gefangenenrevolte...« Er grinste und deutete mit einer Kopfbewegung zum Fenster. Durch die beschlagene Scheibe war der Betrunkene schemenhaft zu erkennen. Er umkreiste noch immer die Laterne und hatte mittlerweile daran Halt gefunden. Außerdem hatte er angefangen, ein Lied zu grölen.
»Du hast Gesellschaft«, sagte er. »Ich amüsiere mich schon
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