Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten
eine ganze Weile über den Burschen.« Er lachte. »Muß wirklich randvoll sein, der Kerl, wenn er sich ausgerechnet ein Gefängnis aussucht, um davor zu randalieren.«
Cowley beugte sich vor und blinzelte einen Moment lang durch das Fenster nach draußen. Ein tiefes Stirnrunzeln zog seine Brauen zusammen.
»Wie lange macht er das schon?« fragte er.
Seffinger zuckte mit den Achseln. »Was weiß ich – ein paar Minuten.«
»Dann geh hinaus und hilf ihm«, sagte Cowley. »Du kennst die Vorschriften.«
Seffinger stöhnte übertrieben. »Ja, ja. Jede verdächtige Bewegung und so. Aber der Kerl da draußen ist nicht verdächtig, sondern besoffen!«
»Ein Grund mehr, sich um ihn zu kümmern«, antwortete Cowley streng. »Was glaubst du, was dir blüht, wenn er sich verletzt, und jemand kriegt raus, daß du ihn die ganze Zeit beobachtet hast.« Er schüttelte den Kopf, richtete sich auf und machte eine auffordernde Bewegung. »Geh raus und setz ihn in die nächste Kutsche. Meinetwegen kannst du dann gleich nach Hause fahren. Ich übernehme deine Runde.«
* * *
»Na, mein Freund?« sagte Seffinger. »Einen zuviel gekippt, wie?« Er rechnete nicht damit, Antwort zu bekommen; dazu war der Mann viel zu betrunken. Trotzdem hob der Fremde nach Sekunden den Kopf und blickte Seffinger an.
Der Gefängnisbeamte konnte sein Gesicht trotz der Gaslaterne nicht richtig erkennen, denn der Fremde trug einen breitkrempigen schwarzen Hut, dessen Schatten seine Züge beinahe unkenntlich machte. Trotzdem wirkte es fremdländisch und streng auf ihn.
Auch noch ein Ausländer, dachte Seffinger resignierend. Und seiner Kleidung nach zu schließen ein verdammt reicher Ausländer; vielleicht irgendein Botschafter oder Attaché. Heute war wirklich nicht sein Glückstag. Wahrscheinlich verstand der Bursche kein Wort englisch, und am nächsten Morgen konnte er auch noch Ärger bekommen, wenn er ihn nicht ausgesucht höflich behandelt hatte.
Er seufzte, streckte die Hand nach dem Mann aus und zwang sich zu dem freundlichsten Lächeln, das er zustande brachte. Der Fremde schlug seine Hand zur Seite, kippte nach hinten und klammerte sich im letzten Moment am Laternenpfahl fest »Schschscheißtommy...«, stammelte er.
Seffingers Lächeln gefror. Immerhin war er eine Amtsperson. Ihn konnte irgendsoein dahergelaufener reicher Ausländer ja ruhig beleidigen, aber nicht die Uniform, die er trug. »Wie bitte?« sagte er steif. »Ich fürchte, ich habe Sie nicht richtig verstanden, Sir.«
»Dusch... duhasch... duhaschmischhonrischtisch... standen«, nuschelte der andere mit schwerer Zunge. »Aber isch schasch gern noch... nochmal. Scheißschtommy! Jawoll! Scheischbeamter in einem Scheischland!«
»Sie vergreifen sich im Ton, Sir«, sagte Seffinger scharf. »Ich muß doch bitten!«
»Kannschtu«, sagte der andere, rülpste lautstark und fiel erneut auf die Knie. »Bitten kannscht du, worum du... willscht. Aber isch bleib dabei. Dasch ischt ein Scheißland! Und ein Scheisch... könig! Jawoll!«
Seffinger erstarrte. Ein Schlag ins Gesicht hätte ihn kaum härter treffen können.
»Was haben Sie gesagt, Sir?« fragte er. »Sie sollten über das nachdenken, was Sie einem Beamten der Krone sagen.«
Der Fremde kicherte schrill. »Krone!« kreischte er. »Eine Scheischkrone isch... ischdasch, jawoll. Ich pisse auf eure Krone!«
»Das ist... Majestätsbeleidigung!« keuchte Seffinger. »Wer immer Sie sind, Sir, ich kann das nicht durchgehen lassen!«
»Kannschtdunisch?« kicherte der Betrunkene. »Dann unternimm doch wasch! Verteidige deine Krone doch!« Er stemmte sich hoch, brachte das Kunststück fertig, einen Moment aus eigener Kraft aufrecht zu stehen und hob kampflustig die Fäuste.
Mort Seffinger kam zu einem Entschluß. Es war ihm gleich, wer dieser dunkelhäutige Ausländer war. Und sollte es der König von Mesopotamien persönlich sein – niemand beleidigte das Königshaus ungestraft in seiner Gegenwart. Niemand.
Mit einer raschen Bewegung zog er seine Pfeife aus der Tasche und blies dreimal hintereinander hinein. In spätestens einer Minute würde Cowley bei ihm sein, zumal er die ganze Szene unter Garantie durch das Fenster verfolgt hatte.
Der Betrunkene hob den Kopf und stierte blöde in die Runde. »Waschnlosch?« nuschelte er. »Schon... schon Zeit zum Aufschtehn?«
»Nein«, antwortete Seffinger böse. »Im Gegenteil, mein Freund – Sie können weiterschlafen. Wir haben eine Menge gemütlicher Zimmerchen in unserem Hotel,
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