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Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten

Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten

Titel: Der Hexer - NR06 - Labyrinth der weinenden Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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wollte heute oder morgen hierher kommen, um sich auf die Stelle als Hausdame zu bewerben, die ich ausgeschrieben habe. Aber das kann sie unmöglich sein.«
    »Sie ist es aber«, sagte Ron hart. »Ich habe mich mit ihr unterhalten. Sie erzählte, daß sie sich vorstellen wollte.«
    Verblüfft starrte ich auf das ausgetrocknete Greisengesicht vor mir herab. »Aber das ist unmöglich!« entfuhr es mir. »Diese Frau hat wohl kaum noch die Kraft gehabt, auf eigenen Füßen zu stehen.«
    »Blödsinn!« schnappte Ron. »Sie ist – Sein Unterkiefer klappte herunter, als sein Blick auf das zerfallene graue Antlitz der Toten fiel. Seine Augen weiteten sich. Trotz der Dunkelheit sah ich, wie sein Gesicht in Sekundenbruchteilen alle Farbe verlor.
    »Das... gibt es... nicht!« stammelte er. »Das ist doch... unmöglich!« Seine Hände begannen zu zittern. Er wankte, griff haltsuchend um sich und wäre vielleicht gestürzt, wenn Rowlf nicht blitzschnell zugegriffen hätte.
    »Was ist unmöglich?« fragte Howard betont.
    »Diese... diese Frau!« stammelte Ron. »Gloria. Sie... o mein Gott, das ist doch nicht möglich!« Sein Kopf flog mit einem Ruck hoch. Seine Augen weiteten sich noch mehr, als er Howard und mich anstarrte. Ich hatte selten einen Ausdruck so ungläubigen Entsetzens im Gesicht eines Menschen gesehen.
    »Gloria«, stammelte er. »Sie... sie war allerhöchstens zwanzig.«
    »Was reden Sie da!« murrte Howard. »Sie –«
    »Aber es stimmt!« sagte Ron. Seine Stimme wankte und drohte überzukippen. Speichel lief an seinem Kinn herab. Er merkte es nicht einmal. »Ich bin doch nicht verrückt! Ich habe mit diesem Mädchen gesprochen und... und sie hier abgesetzt! Sie war keine zwanzig Jahre alt!«
    »Diese Frau hier«, antwortete Howard betont, »ist eher zweihundert als zwanzig, Ron. Überlegen Sie in Ruhe. Vielleicht haben Sie Ihre Gloria vor einem anderen Haus abgesetzt. Sie müssen sich getäuscht haben!«
    »Nein!« keuchte Ron. Es klang wie ein Schrei, den er im letzten Moment unterdrückte. »Ich habe sie keine Sekunde aus den Augen gelassen! Ich habe gewartet, weil... weil sie noch nicht wußte, ob sie die Stelle annimmt, und...« Er brach ab, rang hörbar nach Worten und begann kleine, unverständliche Laute auszustoßen.
    »Ich glaub, er hat recht«, sagte Rowlf leise. »Seht euch die Klamotten an.« Er deutete auf die zerschlissene Reisetasche, die ein Stück neben der Toten lag. Sie war aufgeplatzt, und ihr Inhalt hatte sich über den Weg verstreut.
    Er bestand aus nichts als Lumpen. Wenn die grauen, halb vermoderten Fetzen irgendwann einmal Kleider gewesen waren, dann mußte es Jahrzehnte her sein.
    Howard streckte die Hand nach einem der Kleider aus.
    Es zerfiel zu Staub, als er es berührte.
    »Das ist Hexerei!« keuchte Ron. »Das ist... Teufelswerk!« Seine Stimme wurde höher, schriller. »Es stimmt, was man sich über Sie erzählt!« behauptete er. »Es ist alles wahr! Sie sind ein Hexer!«
    »Beruhigen Sie sich!« sagte Howard scharf, aber Rons Erregung stieg eher noch.
    »Sie sind ein Hexer!« keuchte er. »Es ist wahr! Sie sind mit dem Satan im Bunde, wie die Leute behaupten!«
    Howard hob rasch die Hand. Rowlf drehte sich herum, bedachte Ron mit einem freundlichen Lächeln – und schlug ihm warnungslos die Faust unter das Kinn. Der hünenhafte Kutscher stieß ein ersticktes Keuchen aus, kippte nach hinten und fiel wie ein nasser Sack zu Boden.
    »Er hätte die ganze Nachbarschaft zusammengeschrien«, sagte Howard mit einem entschuldigenden Lächeln. Dann wandte er sich wieder an Rowlf. »Trag ihn ins Haus. Und dann bring eine Decke oder besser noch ein Bettuch. Wir müssen die Frau wegschaffen, ehe jemand aufmerksam wird.«
    »Was hast du vor?« fragte ich. »Wir müssen die Polizei rufen, Howard! Hier ist ein Mensch ums Leben gekommen!«
    »Die Polizei?« Howard schüttelte den Kopf. Der Blick, mit dem er mich musterte, war fast mitleidig. »Aber sicher«, sagte er. »Wir rufen Scotland Yard und erklären ihnen, daß dieses Mädchen innerhalb Sekunden um hundert Jahre gealtert ist. Nachdem vor knapp einer Woche in deinem Haus fast ein Dutzend Menschen umgebracht worden sind, werden sie mit den Köpfen nicken und zur Tagesordnung übergehen.«
    Betroffen starrte ich ihn an. Natürlich hatte Howard recht – es war ohnehin nur einem mittleren Wunder und Dr. Grays juristischen Haarspaltereien zu verdanken, daß wir alle noch in Freiheit waren und nicht die Verliese des Towers genossen. Die Männer

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