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Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers

Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers

Titel: Der Hexer - NR08 - Im Bann des Puppenmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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Gedanke, auf der Treppe der Pariser Oper herumzustehen und darauf zu warten, daß Howard und Rowlf auftauchten, erfüllte mich nicht gerade mit Begeisterung. Aber dann blickte ich wieder in Madame Dupres treue Schweinsäuglein, und der Ausdruck, den ich darin las, überzeugte mich davon, daß sie weit mehr im Sinn hatte als Kaffeetrinken. Vielleicht war ein wenig frische Luft doch nicht zu verachten.
    »Später«, sagte ich noch einmal. »Wenn ich zurück bin. Wie komme ich zur Oper?«
    Das Lächeln auf Madames Gesicht wurde eisig. »Mit einem Wagen«, antwortete sie spröde. »Aber um diese Zeit kriegen Sie keinen mehr. Nicht in dieser Gegend. Und zu Fuß brauchen Sie eine Stunde.« Allmählich begann ich ihre Hartnäckigkeit zu bewundern.
    »Trotzdem«, begann ich. »Ich muß Howard sprechen. Wenn Sie so nett wären, mir den Weg –«
    Weiter kam ich nicht. Madame Dupre kam auch nie mehr dazu, mir statt des Weges zur Oper den in ihr Bett zu zeigen. Denn in diesem Augenblick wurde die Tür in meinem Rücken mit einem einzigen, gewaltigen Hieb eingeschlagen, und ein verzerrter menschlicher Schatten erschien unter der Öffnung.
    Madame Dupre begann wie von Sinnen zu kreischen, während ich herumfuhr und instinktiv die Hand auf den Griff meines Stockdegens sinken ließ.
    Aber ich führte die Bewegung nicht zu Ende, denn im gleichen Moment fegte der Eindringling die Reste der zerbrochenen Tür vollends beiseite, und ich erkannte sein Gesicht.
    Oder das, was davon übrig war.
    Die linke Hälfte seines Kopfes war nahezu unversehrt, während die andere regelrecht zermalmt worden war. Das braune Material, das menschlicher Haut so täuschend ähnlich sah, war zerrissen und hing in Fetzen herunter. Der eiserne Knochen darunter war zerbrochen und eingedrückt, und aus dem zerfransten Loch, in dem einmal die Nachbildung eines menschlichen Auges gewesen war, ragten die abgerissenen Enden dünner, silberner Drähte.

    * * *

    »Aber Monsieur, ich bitte Sie – das geht doch nicht!« Der Lakai begann verzweifelt mit den Händen zu ringen. Seine Stimme wurde schrill, und die Blicke, die er Howard zuwarf, grenzten eindeutig an Panik. Aber Howard beachtete ihn gar nicht, sondern schob ihn kurzerhand zur Seite und stürmte mit gesenktem Kopf an ihm vorbei. Hinter ihm wurden aufgeregte Stimmen laut, gefolgt von den Schritten von gleich drei, vier Männern. Ohne auch nur zurückzusehen, rannte Howard weiter, erreichte die schmale Tür am Ende des Ganges und riß sie auf.
    Die Musik aus dem Bühnenraum wurde lauter, als er auf den winzigen Balkon hinaustrat. Hinter ihm erscholl ein fast entsetztes Keuchen, und eine Hand legte sich auf seine Schulter und versuchte ihn festzuhalten. Howard schüttelte sie ab, fuhr ärgerlich herum und funkelte den Lakai so zornig an, daß der Mann unwillkürlich ein Stück zurückprallte.
    »Aber ich bitte dich, Bruder Howard!«
    Obwohl die Stimme sehr leise war, schnitt sie wie ein Peitschenhieb in Howards Geist. Seine Hand, die zu einer abwehrenden Geste erhoben war, erstarrte mitten in der Bewegung. Eine halbe Sekunde lang blieb er reglos stehen, dann wandte er sich mit starren, fast puppenhaften Bewegungen um und starrte den dunkelhaarigen Mann an, der die Worte gesprochen hatte.
    »Bitte mach hier nicht so einen Lärm, Bruder Howard«, fuhr der Mann fort. »Immerhin haben diese Leute sehr viel Geld bezahlt, um sich in Ruhe einem Kunstgenuß hingeben zu können – den du zweifellos nicht zu würdigen weißt.« Er lächelte dünn und humorlos, machte mit der Linken eine Geste auf den freien Platz neben sich und wandte sich an den Lakai, der mittlerweile Verstärkung bekommen hatte. »Es ist gut, Jean-Luc. Ich kenne den Herren.«
    »Du –« Howards Stimme zitterte vor Erregung, aber wieder unterbrach ihn der Fremde mit einer knappen, befehlenden Geste. »Bitte, Bruder – nicht vor den Domestiken.«
    Sekundenlang starrte Howard den dunkelhaarigen Mann mit unverhohlenem Haß an. Seine Finger spannten sich so fest um den zerdrückten Operngucker, daß die Knöchel wie kleine weiße Narben auf seiner Haut sichtbar wurden. Aber er wartete gehorsam, bis die Diener wieder gegangen waren. Erst dann trat er auf den Fremden zu, hob die Arme und streckte die Hände aus, als wolle er ihn packen und erwürgen.
    »Wo ist sie?« keuchte er. »Was hast du mit ihr gemacht?«
    »Mit ihr?« Die dünnen, wie aufgemalt wirkenden Brauen des Mannes zogen sich zu einem fragenden Stirnrunzeln zusammen. »Von wem sprichst du,

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