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Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Titel: Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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begriff...
    »Steh auf!« befahl der Rattenköpfige. »Steh auf und sieh mich an! Ich befehle es!«
    Wieder wurden die Worte von einem brutalen Hieb mentaler Energien begleitet, die wie weißglühende Dolche in meinen Schädel zu stechen schienen. Ich krümmte mich, wimmerte vor Pein und tat so, als verlöre ich das Gleichgewicht, als ich mich auf Hände und Knie hochstemmte. Meine Rechte näherte sich der Ratte, die mich gebissen hatte, und wieder schnappten ihre Fänge nach meinen Fingern.
    Diesmal war ich vorbereitet. Die Gefühle der Ratte überschwemmten mein Bewußtsein wie ein brodelnder Strom, aber anders als beim ersten Mal machten sie mich nicht hilflos. Für eine Sekunde sah ich durch die Augen der Ratte, spürte ihr dumpfes animalisches Sein wie einen Teil meiner selbst – und schlug mit aller Macht zu.
    Der geistige Widerstand des Tieres zerbrach wie Glas unter einem Hammerschlag, sein Bewußtsein lag offen und hilflos vor mir, und für den Bruchteil einer Sekunde sah ich durch seine Augen, roch und schmeckte und fühlte und hörte mit seinen Sinnen, war ich die Ratte. Ich sah mich selbst, ein riesiges, formloses Wesen unbestimmbarer Art und unbestimmbaren Aussehens, neben mir Howard und Rowlf und Cohen, auch sie gigantisch und roh und nicht spezifiziert, sondern Teile einer unverständlichen, aber klar in nur drei Teile gegliederten Welt. In Freund und Feind und Beute.
    Wir gehörten eindeutig zur dritten Kategorie.
    Der Rattenmann schrie auf, als er bemerkte, was ich tat. Ich spürte, wie seine Kräfte heranrasten wie eine gewaltige Faust, die mich zerschmettern mußte, und schlug im gleichen Moment selbst zu.
    Es ist schwer, einen geistigen Kampf wirklich zu beschreiben. In Worte gefaßt, klingt das Ringen zweier unterschiedlicher Bewußtseine undramatisch und leicht, aber es ist weder das eine noch das andere. Der Kampf dauerte nur Bruchteile von Sekunden, aber für mich vergingen Ewigkeiten. Sein Bewußtsein fiel über mich her wie ein ausgehungerter Vampir über eine Blutkonserve, versuchte mich zu verschlingen. Es war ein Gefühl ähnlich dem, das eine Maus haben mußte, über die eine Herde tollwütiger Elefanten hinwegtrampelt.
    Ich versuchte nicht einmal, mich zu wehren. Meine Kräfte würden nur noch Sekunden reichen, ganz egal, ob ich seine Angriffe nun abwehrte oder mich darauf beschrankte, einfach am Leben zu bleiben, und ich tat das einzige, zu dem ich noch fähig war, konzentrierte mich auf einen einzigen, verzweifelten Gedanken. Während der Rattenmann weißglühende Sonnen hinter meiner Stirn aufflammen ließ, verschmolz ich meinen Geist noch einmal mit dem der Ratte.
    Es war ein bizarres Bild. Ich sah wieder mich selbst, auch Howard und die beiden anderen, aber ich sah uns nicht aus einem bestimmten Blickwinkel, sondern irgendwie aus allen Richtungen zugleich. Es waren nicht nur die Augen dieser einen Ratte, derer ich mich bediente.
    Plötzlich begriff ich, daß ich nicht mit dem Geist dieses einen Tieres, sondern mit dem der ganzen gewaltigen Rattenarmee verschmolzen war, daß es da etwas gab, das sie verband, ein übergeordneter, mächtiger Wille, mit dem die einzelnen Ratten verbunden waren wie Marionetten an unsichtbaren Fäden.
    Es ging unglaublich schnell. Die Welt kippte um und verlor ihre Farbe. Ich sah nur noch hell und dunkel in allen nur denkbaren Schattierungen, dazu alles umgekehrt. Aus Weiß wurde Schwarz, aus Schwarz Weiß, wie auf einer noch nicht entwickelten photographischen Platte. Aber ich sah noch mehr. Die Farben waren mir genommen worden, aber dafür erblickte ich einen Teil der Welt, der dem menschlichen Auge sonst verschlossen ist.
    Ich sah die pulsierenden, dünnen Kraftlinien, die die einzelnen Tiere miteinander verbanden wie zuckende Bänder aus grauem Nebel, den dickeren, bebenden Strom, der aus der Stirn des Rattenmannes wuchs – und den Knotenpunkt, der wie ein nebeliges Krebsgeschwür über der grausigen Szene schwebte.
    Es war, als taste ich mich an einer unsichtbaren Halteleine entlang. Mein Geist überwand Zeit und Entfernung, und für Bruchteile von Sekunden sah ich ein Bild – ein finsteres, feuchtes Verlies tief unter den Straßen Londons, erfüllt von Tausenden und Abertausenden von Ratten, von stinkendem Unrat und Aas. Und in der Mitte dieser widerlichen Armee des Schreckens hockte sie!
    Die Albinoratte. Das gewaltige, weiße Tier, das ich schon einmal erblickt hatte, durch die Augen Lady Audleys. Und hinter ihr...
    Die Verbindung zerriß mit

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