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Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Titel: Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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hatte.
    »Welche anderen haben Sie gemeint, Kilian?« fragte ich. »In welcher Stadt und auf welchem Friedhof?«
    Kilian blinzelte mich aus seinen entzündeten roten Augen an.
    »Muß schon ein großes Geheimnis sein, wenn die grauen Herren einen schicken, der nichts weiß«, sagte er.
    Allmählich war mein Vorrat an Geduld erschöpft. »Zum Teufel, niemand hat mich geschickt«, sagte ich grob. »Ich bin –«
    Hinter mir erscholl ein halblautes Quieken. Ich brach mitten im Satz ab, fuhr herum und unterdrückte im letzten Moment den Impuls, abermals nach dem Stockdegen zu greifen.
    Die Ratte hockte zwischen den beiden vorderen Stützpfeilern des Hünengrabes. Sie saß ganz ruhig da und betrachtete mich aus ihren kleinen, von boshafter Intelligenz erfüllten Augen. Ich schluckte ein paarmal, trat unsicher auf der Stelle und wandte mich wieder an Kilian.
    Der Alte grinste dämlich. »Da staunt er, der junge Geck«, kicherte er. »Ist nicht gut, die grauen Herren zu verspotten. Sind gekommen, um uns zu warnen. Er täte besser daran, auf sie zu hören, denn sie sind klug.«
    Nervös fuhr ich mir mit der Zungenspitze über die Lippen.
    »Warnen?« fragte ich. »Vor wem?«
    Kilian antwortete auf seine gewohnte Art – mit dem dusseligen Kichern und einem Kopfnicken. »Vor den Dingen unter der Erde«, sagte er schließlich.
    »Dinge unter der Erde?« Ich wurde hellhörig. »Was meinen Sie damit? Was für Dinge?«
    »Böse Dinge«, antwortete Kilian gewichtig. »O ja, sie wissen es, die grauen Herren. Es gibt schlimme Dinge unter der Erde, die alt sind. Ist nicht gut für Menschen, sich damit abzugeben.« Er seufzte. »Aber sie tun es.«
    »Wer?« hakte ich nach.
    Diesmal zögerte Kilian. Einen Moment lang blickte er die Ratte hinter mir an, als bitte er sie um Erlaubnis, weiter sprechen zu dürfen, dann nickte er abermals, drehte sich um und deutete mit einer dürren Hand den Hügel hinauf.
    »Die anderen«, sagte er. »Weiß nicht, ob es gut ist, den Jungen hinzubringen. Könnte zu Schaden kommen.«
    »Vielleicht überlassen Sie das mir«, entgegnete ich gereizt.
    Kilian grinste dämlich, drehte sich vollends herum und begann, den Hügel hinauf zuschlurfen. Trotz seiner gebrechlichen Erscheinung ging er dabei so rasch, daß ich mich beeilen mußte, ihn einzuholen, ehe er die Hügelkuppe überschritten hatte.
    Ein kühler, nach Salzwasser riechender Wind schlug uns entgegen, als wir den Hang erklommen hatten, und im Süden glitzerte die blaugraue Unendlichkeit des Ozeans. Ich blieb stehen, sah mich neugierig um und deutete schließlich auf die Handvoll Häuser, die eine knappe Meile unter uns lagen und sich wohl einbildeten, ein Ort zu sein. »Was ist das?« fragte ich.
    »St. Aimes«, antwortete Kilian.
    Seine Worte hätten mich nicht überraschen dürfen; aber sie taten es. St. Aimes – das war der Ort, zu dem wir Lady Audley hatten begleiten sollen, ehe dieser ganze Wahnsinn begann. Der Ort, auf dessen Friedhof Lady Audleys Nichte begraben lag. Der Kreis begann sich zu schließen.
    Und trotzdem – während ich neben Kilian den Hang hinabging, hatte ich plötzlich das sichere Gefühl, bisher nur einen Zipfel des wahren Geheimnisses in Händen zu halten...

    * * *

    Schon von weitem hatte das Haus sonderbar ausgesehen. Eingepfercht wie ein edles Rennpferd zwischen Ackergäulen, erhob es sich wie ein Fremdkörper zwischen den schmalbrüstigen, schäbigen Mietskasernen, die das Straßenbild in diesem Teil der Stadt bestimmten. Seine Fassade aus weißem Marmor mußte einmal sehr prachtvoll gewesen sein und wirkte selbst jetzt, wo Alter und Erosion ihre Spuren in ihr hinterlassen hatten, noch beeindruckend. Nicht einmal der Umstand, daß die meisten Fenster von innen mit Brettern vernagelt und der Vorgarten vollkommen verwildert waren, vermochte den Eindruck nachhaltig zu stören.
    »Ihr... Bekannter wohnt hier?« fragte Howard, als der Wagen angehalten hatte und Cohen ihm mit Gesten zu verstehen gab, auszusteigen.
    Der Polizeicaptain hatte das Zögern in Howards Worten bemerkt und sah auf. Er war noch immer nervös und seine Nervosität hatte noch zugenommen, je weiter sie sich von Scotland Yard entfernt und dem Haus genähert hatten.
    »Er ist kein Bekannter von mir«, antwortete er knapp, stieg aus dem Wagen und wartete mit sichtlicher Ungeduld, daß Howard und Rowlf ihm folgten. Ehe einer der beiden Gelegenheit hatte, eine weitere Frage zu stellen, drehte er sich auf dem Absatz herum, eilte auf das Haus zu und stieß die

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