Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht

Titel: Der Hexer - NR10 - Wenn der Stahlwolf erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
den dürren Schultern fallen, und seufzte tief.
    Sein Atem stank nach billigem Fusel.
    »Das weiß er nicht, wie schade«, murmelte er. »Und dabei hat Kilian gehofft, er käme, um ihm und den anderen zu helfen.«
    Verwirrt sah ich erst ihn an, drehte dann rasch den Kopf nach beiden Seiten und begriff endlich, daß es niemanden gab, mit dem er redete. Nun, er war alt genug, um das Recht zu haben, ein wenig sonderlich zu sein.
    »Kilian sind... Sie?« fragte ich vorsichtig.
    Der Alte nickte. »Sicher. Sicher«, kicherte er, als wäre das, was ich gesagt hatte, besonders lustig. »Und Sie sind der, den die grauen Herren geschickt haben.«
    Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Der Begriff »graue Herren« erinnerte mich auf unangenehme Weise an etwas Bestimmtes, aber ich hielt es für besser, so wenig wie möglich zu sagen, ehe ich nicht wenigstens wußte, wo ich war.
    »Aber er weiß nicht, wo er ist«, fuhr Kilian fort, als hätte er meine Gedanken erraten. »Und weiß vielleicht nicht einmal, warum er hier ist. Nun, dann muß Kilian es ihm sagen.«
    Vorsichtig stand ich auf, wartete, bis sich der Alte umständlich aus seiner unbequemen Kauerstellung erhoben hatte und sah mich noch einmal und gründlicher um.
    Meine Umgebung war – gelinde ausgedrückt – sonderbar. Zur Linken erhob sich die Flanke eines vielleicht zwanzig Yard hohen, sanft ansteigenden Hügels, mit Gras und verwildertem dornigem Gestrüpp bewachsen, während sich auf der anderen Seite eine Gruppe mächtiger, im Laufe von Jahrtausenden grau und brüchig gewordener Felsen erhob, gekrönt von einem tonnenschweren Dach aus Granit.
    Es war ein Hünengrab, eine jener Anlagen, wie man sie in diesem Teil Englands häufiger findet – und trotzdem war es mit nichts zu vergleichen, was ich jemals gesehen hatte.
    Es war, als bildeten die vier gewaltigen Pfeiler zusammen mit ihrem steinernen Dach ein neues, übergeordnetes Muster, etwas, das sich irgendwie der menschlichen Auffassung von Geometrie entzog und nicht wirklich zu begreifen, sondern nur zu erkennen war. Als ich genauer hinsah, erkannte ich, daß der Fels über und über mit verwirrenden Mustern bedeckt war, vor Urzeiten eingemeißelt und von Wind und Erosion zum Teil ausgelöscht.
    Es waren sehr seltsame Muster. Etwas an ihnen war... unangenehm. Ich sah wieder weg, fuhr mir nervös mit der Hand über die Stirn und begegnete dem Blick des Alten.
    In seinen Augen loderte ein sonderbares Feuer, und ich spürte genau, daß er auf eine ganz bestimmte Reaktion von mir wartete, aber dann zuckte er nur die Achseln, drehte sich herum und sah zu Boden.
    Hinter mir raschelte etwas. Ich schrak zusammen, fuhr herum – und griff instinktiv nach meiner Waffe, als ich den grauen Schatten zwischen den Büschen verschwinden sah.
    »Eine Ratte!« entfuhr es mir. »Zum Teufel, gibt es denn nirgends einen Ort, an dem diese Biester nicht sind?«
    »Die grauen Herren tun Ihnen nichts«, sagte Kilian in einem Ton, als belehre er ein uneinsichtiges Kind. Ich drehte mich abrupt zu ihm herum und sah ihn scharf an.
    »Wie haben Sie sie genannt?« fragte ich.
    »Die grauen Herren«, sagte Kilian ernst. »Hat mich hierher geführt, der graue Herr. Wollte wohl, daß der alte Kilian den Fremden findet und ihm alles zeigt. Aber ist keine gute Sache. Ware besser, er hätte einen erfahrenen Mann geschickt, der graue Herr. Keinen dummen Jungen mit gefärbtem Haar.«
    Ich fegte seine Worte mit einer unwilligen Kopfbewegung beiseite. »Das war eine Ratte«, sagte ich heftig. »Und nichts –«
    Kilian unterbrach mich mit einer ärgerlichen Geste. »Ratten!« sagte er abfällig. »Ratten leben unter der Erde und fressen tote Dinge und Abfälle. Die anderen sind Ratten. Die unten in der Stadt. Und am Friedhof. Sollte nicht über Dinge reden, von denen er nichts versteht, der junge Geck.«
    Ich schluckte, löste mit einer fast schuldbewußten Geste die Hand vom Griff des Stockdegens und sah mich noch einmal um. Aber die Ratte war verschwunden, und das leise Rascheln, das ich jetzt noch hörte, war nur das Geräusch des Windes, der im Gras spielte.
    Für endlose Augenblicke kreisten meine Gedanken fast ziellos. Ich wußte nicht zu sagen, was ich erwartet hatte, als ich in das Tor trat – einen halb schwachsinnigen Alten und ein sonderbares Hünengrab jedenfalls nicht. Aber es war auch bestimmt kein Zufall, daß das Tor ausgerechnet hier endete. Dann fiel mir etwas auf, was er gesagt und was ich im ersten Moment fast überhört

Weitere Kostenlose Bücher