Der Hexer - NR15 - Wo die Nacht regiert
Unterschied nicht genau zu erkennen vermochte, schwamm ich weiter auf sie zu, wobei ich mir Mühe gab, nahe an der Wand in Deckung zu bleiben.
Ein überaus nutzbringendes Verhalten, bei Lebewesen, die keine Augen haben und sich auf andere Weise orientieren, dachte ich spöttisch.
Eine der Bestien näherte sich mir, und ich verharrte reglos auf der Stelle, bis ich sie genauer sehen konnte. Das Biest war weitaus kleiner als das, welches ich oben im See getötet hatte, selbst kleiner als die, die Spears und mich in den Abwasserkanälen von Aberdeen überfallen hatten.
Und es wirkte irgendwie... unfertig.
Ja, das war der richtige Ausdruck. Sein aufgeblähter Balg war schwarz wie ein Sack und glatt, ohne Augen-, Nasen- oder Ohrenöffnungen, und das furchtbare Maul mit dem Haifischgebiß war noch nicht mehr als ein dünner Schlitz, als hätte jemand mit einem Messer in die widerliche Masse geschnitten. Zwischen seinen lächerlich kurzen Froschbeinen ragte der Rest eines halbverkümmerten Schwanzes hervor.
Es ist ein Jungtier, dachte ich verblüfft. So wie dieses eine wirkten auch die anderen Bestien, die ich sah, mehr oder weniger unfertig. Einige schienen nur aus schwarzen, aufgeblasenen Hautsäcken zu bestehen, andere wiederum sahen wirklich aus wie gewaltige Kaulquappen, rund und augenlos und mit einem hektisch peitschenden Schwanz, und wieder andere ähnelten dem Ungeheuer, das mich am Tage zuvor als Frühstück auserkoren hatte.
Ich hatte die Brutstätte der Ungeheuer gefunden! Der schwarze Krater war nichts anderes als Dagons Kindergarten! Einen Moment lang starrte ich noch auf die schreckliche wimmelnde Brut unter mir, dann drehte ich mich herum und begann mit plumpen Bewegungen wieder nach oben zu schwimmen.
Wieder näherte ich mich der Stadt – oder dem, was Nemos Angriff davon übrig gelassen hatte. Erst, als ich in das Labyrinth aus zerborstenen Mauern und zusammengestürzten Gebäuden eindrang, kam mir die ganze Tragweite der Zerstörung zu Bewußtsein, die die NAUTILUS angerichtet hatte.
Es schien buchstäblich kein Stein mehr auf dem anderen zu stehen. Zwischen den zerborstenen Wänden gähnten gewaltige Krater. Die Häuser und Brücken waren wie Spielzeuge durcheinandergewirbelt worden. Ein einziger, nicht einmal zu Ende geführter Angriff der NAUTILUS hatte ausgereicht, alles zu zerstören, was fünftausend Jahre lang den Angriffen der Natur und der Zeit standgehalten hatte. Es war sonderbar – es war unzweifelhaft meine Partei, die diese Vernichtung angerichtet hatte – aber das Bild erfüllte mich mit einer Mischung aus Niedergeschlagenheit und Wut. Obwohl diese ganze unterseeische Stadt keinem anderen Zweck als der Anbetung einer dämonischen Gottheit gedient hatte, empfand ich es einfach als falsch, sie zerstört zu sehen.
Es war nicht richtig, daß Menschen die Macht haben sollten, so etwas zu tun. Vielleicht, dachte ich zornig, war der nächste Schritt der, daß sie Waffen entwickelten, mit denen sie diesen ganzen Planeten in die Luft zu sprengen vermochten.
Ich verscheuchte den absurden Gedanken, sah mich suchend um und gewahrte die Tempelpyramide, in der ich Dagon das letzte Mal gesehen hatte, in einer Entfernung von einer knappen halben Meile – genauer gesagt das, was davon übrig war. Das gewaltige Gebäude war zur Hälfte eingestürzt, und auch in den stehengebliebenen Wänden gähnten riesige, wie hineingefressen wirkende Löcher. Der Boden um die Pyramide war in weitem Umkreis mit Trümmern und pulverisiertem Stein bedeckt. Nemo mußte mehrere seiner furchtbaren Torpedos direkt auf dieses Gebäude abgeschossen haben.
Ich schwamm weiter, wobei ich vorsichtshalber die zu dem Anzug gehörende Harpune zur Hand nahm und entsicherte. Aber meine Vorsicht war überflüssig. Schon in der Nähe des Schiffes war mir aufgefallen, wie tot und ausgestorben der See wirkte; nur hatte ich es da auf das schwarze Ungeheuer geschoben, das alles in seiner Reichweite befindliche Leben vernichtet haben mochte.
Aber auch hier, fast eine Meile von der NAUTILUS entfernt, rührte sich nicht das kleinste Anzeichen von Leben. Dabei war der See voll von Fischen und anderem Getier gewesen, als ich das erste Mal hier herabgetaucht war. Jetzt schien ich durch ein ausgestorbenes Gewässer zu schwimmen. Hier unten regierten nur die Nacht und das Schweigen.
Meine Handflächen wurden feucht vor Erregung, als ich mich dem Gebäude näherte. Der dreieckige Eingang war zusammengestürzt, so daß es dort kein
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