Der Hexer - NR22 - Die Hand des Dämons
Schritt hinter mir befand. Erst als ich den losen Unrat weggeräumt hatte, erkannte ich, welches unwahrscheinliche Glück Jeff gehabt hatte. Ein massiver Balken war von den Überresten des zermalmten Geländers aufgehalten worden, bevor er den Jungen hatte einquetschen können.
Die Flammen hatten uns fast erreicht, als er sich endlich unter dem Balken hervorschieben konnte. Ich riß ihn aus der unmittelbaren Gefahrenzone und half ihm auf die Beine. Sekunden später erreichte das Feuer den Balken, leckte mit gierigen Zungen über das Holz und fraß sich daran weiter.
»Danke«, keuchte Jeff und hustete Staub und Sägemehl aus seinen Lungen.
»Spar dir das, bis wir alles überstanden haben«, sagte ich trocken. »Falls wir es überstehen.«
Vorsichtig stiegen wir die Treppe hinauf. Ich prüfte jede Stufe erst sorgsam mit den Fußspitzen, bevor ich ihr mein Gewicht anvertraute. Mehr als eine brach dabei vollends auseinander. Glücklicherweise waren die entstandenen Zwischenräume nicht allzu groß, so daß wir sie mit einem weiten Schritt überqueren konnten. Erst als wir einen genügend großen Vorsprung vor den Flammen herausgeschunden hatten, gönnten wir uns eine kurze Pause. Notdürftig klopfte ich mir den Schmutz von der Kleidung.
»Was hat es überhaupt für einen Sinn, wenn wir immer weiter nach oben fliehen?« stieß Jeff mutlos hervor. »Die Flammen holen uns ja doch ein.«
Ich antwortete nicht. Alles was ich hätte sagen können, kam mir hohl und leer vor. Ich wußte nur, daß wir nicht aufgeben durften. Noch immer bewahrte ich mir einen Funken Hoffnung, daß etwas Unvorhergesehenes geschehen würde. Ich konnte keinen Sinn darin entdecken, daß wir auf dem Turm verbrennen sollten. In meinen Augen gab es nichts, das den Aufwand lohnte, uns hierher zu verschleppen, wenn es nur um unseren Tod ging.
»Ich verstehe sowieso nichts mehr«, fuhr Jeff fort. »Dieses Feuer dürfte es gar nicht geben. Es müßte das ganze Unterteil des Turmes wegbrennen. Er müßte einstürzen, aber statt dessen verfolgen uns die Flammen wie lebende Wesen. Sie breiten sich nicht aus und verbrennen nur das, womit sie auf ihrem direkten Weg in Berührung kommen.«
Jeff Conroy beugte sich über das an dieser Stelle noch vollständig erhaltene Geländer und warf einen Blick in die Tiefe. Im nächsten Moment stieß er einen überraschten Schrei aus. Mit zwei Schritten war ich neben ihm und sah ebenfalls hinab.
Ein unglaubliches Bild bot sich unseren Augen.
»Der Turm sinkt im Boden ein«, keuchte Jeff.
Der Fuß des Turmes war bereits bis zum ersten Absatz im Erdreich verschwunden. Ein Krater hatte sich um die Stützpfeiler gebildet, ein schwarzes Loch, das mir wie ein gierig aufgerissener Schlund erschien und in den das Holzgerüst Stück für Stück einsackte. Dabei blieb der Turm in seiner aufrechten Stellung. Jemand schien sich von unten an die Betonverankerung geklammert zu haben und zog uns nun langsam, aber unerbittlich zu sich heran. Einen Herzschlag lang hatte ich die alptraumhafte Vision einer gigantischen Spinne, die ein unsichtbares Netz um den Turm gesponnen hatte und dieses nun enger zog, um ihre Opfer zu verschlingen. Unwillig schüttelte ich den Kopf und verdrängte die Vision.
»Was hat das nun wieder zu bedeuten?« keuchte Jeff.
Ich lachte humorlos auf. »Sieht ganz so aus, als ob es jemand kaum noch erwarten kann, uns zu sich zu holen.«
Jeff schluchzte auf und hämmerte mit der Faust auf das Geländer. »Ich will weg von hier!« schrie er. »Ich will nach Haus. Lieber schufte ich ohne Pause eine Woche in den Bergwerken, als noch länger diesen Alptraum zu ertragen.« Die Angst machte ihn kopflos und ließ ihn einen Schuldigen suchen. »Sie sind an allem schuld, Craven«, fuhr er fort. »Erst seit Sie hier aufgetaucht sind, hat Arcenborough sich in diese Hölle verwandelt.«
Wie hypnotisiert starrte er auf meine rechte, schrecklich deformierte Hand, sprang plötzlich auf mich zu und packte mich am Kragen meines Anzugs. »Ich weiß nicht, wer Sie wirklich sind, und welche Rolle Sie hier spielen, aber ich will hier weg, raus aus dieser Todesfalle.« Ein erneutes Schluchzen schüttelte seinen schmächtigen Körper. Tränen traten in seine Augen. »Ich habe doch gar nichts mit dieser Sache zu tun«, hauchte er.
Mühelos streifte ich seine Hände ab. »Ich will ebenfalls weg von hier«, entgegnete ich scharf. »Zeig mir eine Möglichkeit, und ich folge dir. Wenn nicht, dann reiß dich wenigstens
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