Der Hexer - NR25 - Ein Gigant erwacht
aus.
Seinen beiden Kameraden erging es kaum besser. Nach zwei Sekunden standen auch sie da, reglos und unfähig, auch nur einen Muskel zu rühren, solange ich es ihnen nicht ausdrücklich gestattete.
Ich fixierte einen vierten Mann, der in meiner Nähe stand, lähmte auch ihn auf die gleiche Art und drehte den Kopf herum, um mich Teagarden selbst zuzuwenden.
Das letzte, was ich sah, war der Lauf seines Revolvers, der auf meinen Schädel krachte. Dann nur noch ein paar grelle Lichtpunkte, die wie aus der Bahn geratene Sterne vor meinen Augen herumtanzten.
Dann gar nichts mehr.
* * *
Die Bestie war satt. Ihre Intelligenz reichte nicht aus, sie diese Tatsache bewußt erkennen zu lassen, aber sie spürte eine dumpfe, wohlige Zufriedenheit und auch ein wenig Müdigkeit, und obwohl sie so dumm war, daß sie sich einmal in ihren eigenen Schwanz gebissen hatte, weil er sich bewegte und sie ihn für Beute hielt, wußte sie doch, daß dies das Zeichen war, zurückzukehren und ihren endlosen Schlaf wieder anzutreten.
Sie hatte gefressen, viel mehr als sonst, und es war sogar leichter gewesen, denn die Beute war nicht einmal vor ihr davongelaufen. Jetzt wollte sie nur noch schlafen.
Zwar spürte sie die Nähe von warmem, lebendem Fleisch, denn ihre Sinne waren so überaus scharf, wie ihre Intelligenz begrenzt war, aber ihr Hunger war gestillt Und so wandte sie sich nach Norden und stampfte, wie eine lebende Lawine aus Fleisch und Panzerplatten Felsen und Trümmergestein unter sich zermalmend, dem Berg zu.
* * *
Ich konnte nicht sehr lange ohne Bewußtsein gewesen sein, denn das erste, was ich hörte und sah, war das Johlen von Teagardens Männern, die einen Strick über eine Felsnase geworfen hatten und mit vereinten Kräften versuchten, Sitting Bull in den Sattel eines Pferdes zu heben, das darunter stand. Der alte Häuptling wehrte sich nicht, aber auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck tiefsten Entsetzens. Ich erinnerte mich, irgendwann einmal gehört zu haben, daß Hängen für einen Indianer die schlimmste aller Todesarten sei. Es hatte irgend etwas mit ihrer Religion zu tun.
Wie von Sinnen begann ich an meinen Fesseln zu zerren. Aber das einzige Ergebnis meiner Bemühungen war eine deftige Kopfnuß, die schon wieder die Sterne vor meinen Augen tanzen ließ.
»Wenn ich Sie wäre, würde ich das lassen«, sagte Teagardens Stimme hinter mir. Ich wollte den Kopf drehen und ihn ansehen und bekam einen weiteren Hieb gegen den Schädel.
»Ich weiß nicht, wie Sie es gemacht haben, Craven«, sagte Teagarden leise. »Und ich will es auch gar nicht wissen. Aber ich schwöre Ihnen, daß ich Ihnen das Gehirn rausblase, wenn Sie auch nur in meine Richtung schauen.«
Ich stöhnte. Das Sprechen fiel mir schwer, und vor meinen Augen tanzten noch immer bunte Kreise. Mein Kopf schmerzte unerträglich. »Verdammt, Teagarden, wenn Sie mich umbringen wollen, dann tun Sie es«, stöhnte ich. »Aber lassen Sie die anderen in Frieden, Sitting Bull hat Ihnen nichts getan.«
»Ach?« erwiderte Teagarden. »Dann fragen Sie mal Matt – das ist der freundliche Herr mit der Narbe auf der Wange dort hinten. Sein Bruder war bei Custers Regiment.«
Ich begriff nicht gleich, was das mit unserer Situation zu tun hatte, aber Teagarden war überraschend redselig und fuhr fort: »Matt wartet schon seit langer Zeit darauf, endlich mit dieser Indianersau abrechnen zu können, wissen Sie? Er hat den gleichen guten Grund wie ich.« Er kicherte. »Schauen Sie ruhig zu, Craven. Es wird ein Schauspiel werden, an das Sie sich für den Rest Ihres Lebens erinnern werden. Die ganzen zehn Minuten«, fügte er hämisch hinzu.
Obwohl mir vor Wut schier die Tränen in die Augen schossen, hob ich vorsichtig den Kopf und sah zu Sitting Bull hinüber. Teagardens Killer hatten ihn mittlerweile in den Sattel gehoben. Zwei von ihnen hielten Sitting Bull fest, während ein anderer die Schlinge um seinen Hals legte und zusammenzog.
»Jetzt sprich endlich, Kerl!« brüllte einer der Männer. »Gib zu, daß du es warst, der Custer ermordet hat!«
Sitting Bull schwieg. Sein Gesicht war wie Stein. Nur in seinen Augen loderte die Angst.
»Wie du willst!« schrie der Killer. »Laßt das Pferd laufen, Jungs!«
Seine Kumpane gehorchten. Aber anders, als ich erwartet hatte, gaben sie dem Pferd keinen derben Hieb, der es mit einem Satz davonpreschen ließ, sondern führten das Tier fast behutsam am Zügel, so daß Sitting Bull langsam aus dem Sattel gehoben wurde.
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