Der Hexer - NR26 - Die Gruft der weissen Götter
aufgeregt debattierend. Durch eine Ritze im Holz konnte er ihre breiten Rücken sehen.
Swen schüttelte verwirrt den Kopf, blinzelte und sah noch einmal hin. Das da vorne mochten seine Feinde sein, trotzdem wirkten sie seltsam vertraut. Die Gestalt, die er der Stimme nach für Skallagrim hielt, war massiger, als sie seiner Erinnerung nach sein durfte.
Skallagrim ging direkt an der Tür vorbei. Seltsamerweise konnte Swen auch jetzt noch keine Einzelheiten erkennen. Es war fast so, als wäre da nichts als ein gigantischer, körperloser Schatten – zu kräftig für Skallagrim und doch eindeutig der Magier.
Swen atmete tief ein und aus. Er wußte nicht, was das zu bedeuten hatte, aber er ahnte, daß es Skallagrims Magie war, die die Perspektive der Wirklichkeit verzerrte. Was auch immer hier vorging – es war höchste Zeit, daß dem ein Ende bereitet wurde.
»Zwei unserer tapfersten Krieger – am hellichten Tag niedergemetzelt!« schrie einer der Begleiter Skallagrims erregt. »Wenn wir jetzt nichts dagegen unternehmen, wann dann?«
Skallagrim winkte ab. »Ich bin nicht weniger bestürzt als ihr«, sagte er. Seine Stimme zitterte, und die Bewegungen, mit denen er das Haar aus der Stirn strich, verrieten seine Erregung. »Doch bevor wir etwas unternehmen, muß die Ratsversammlung ordnungsgemäß einberufen sein...«
»Damit wir inzwischen ordnungsgemäß niedergemetzelt werden? Was ist los mit dir? Zitterst du jetzt schon vor einer Horde Meuchelmörder?«
Skallagrim holte tief Luft und wischte dann mit einer ärgerlichen Handbewegung den Einwand zur Seite. Mit mühevoll beherrschten Schritten begab er sich zur Bank und ließ sich nieder. Dicht unter ihm, von seinen Blicken verborgen, glühte der Kristall.
»Ich kann dir sagen, warum wir noch warten«, raunte er. »Allein schon, um festzustellen, ob sonst noch jemand das Opfer heimtückischer Mörder geworden ist.«
Swen zuckte zusammen, als ob er geschlagen worden wäre. Es war eine Sache, zwei Männer in einem fairen Kampf zu besiegen und eine andere, als heimtückischer Mörder beschimpft zu werden – etwas, was dem strengen Ehrenkodex der Wikinger aufs äußerste widersprach.
Wenn er sich auch bei dem Kampf nicht der Heimtücke schuldig gemacht hatte, dann doch mit dem Einschleppen des Kristalls. Ihm war dabei nicht wohl in seiner Haut. Wenn er seinem Gewissen folgte, müßte er jetzt hervorstürmen und Skallagrim mitsamt seinen Männern niedermachen – sofern er gegen die Übermacht bestehen konnte.
Er kam nicht dazu, den Gedankengang weiterzuverfolgen. Polternde Schritte verkündeten von neuen Ankömmlingen. Wer sie waren, konnte er auch nicht sehen, als sie an ihm vorbeistürmten; es mußte fast ein Dutzend sein. Ohne sich weiter aufzuhalten, nahmen sie am Tisch Platz; ihre erregten Stimmen schnitten durch die Luft.
Swen war viel zu nervös, um auf ihr Gespräch zu achten. Irgend etwas stimmte nicht. Es waren viel zu viel Männer anwesend. Skallagrims wenige Vertraute konnten nicht mehr als ein halbes Dutzend sein, Wibur Keilaxt und Frai Renschneid mitgerechnet. Wer aber waren die anderen?
Nach der Lautstärke zu urteilen, drohte das Gespräch in einen Streit auszuarten. Swen spähte angestrengt durch die Ritze im Holz, aber er konnte nichts anderes erkennen als gestikulierende Schemen. Die Männer schrien durcheinander. Einige von ihnen hielten Waffen in den Händen.
Wieder hatte Swen das Gefühl, daß an der Szene etwas nicht stimmte. Der Saal und die Männer, die miteinander stritten, kamen ihm seltsam bekannt vor. Er suchte in dem Gesicht Skallagrims nach einer Regung, nach irgend etwas, was die Bösartigkeit und Falschheit des Magiers verriet. Aber da war nichts. Nichts außer einer schattenhaften Ähnlichkeit mit jemandem, den er gut kannte.
In diesem Moment brach das Gespräch abrupt ab. Irgend jemand sagte etwas zu Skallagrim, leise, und mit einer Betonung, die Swen frösteln ließ, obwohl er die Worte nicht verstand. Der Magier erhob sich und gab mit einer kraftlosen Geste zu verstehen, daß die anderen schweigen sollten. »Die Ereignisse zwingen uns, mit Gewalt zu antworten. Eine Form der Gewalt, die ich von ganzem Herzen verabscheue, und doch nicht mehr verhindern kann...«
Seine Stimme versagte, und es kostete ihm sichtbare Mühe, laut und deutlich fortzufahren. »So wahr ich Erik Hellauge heiße, schwöre ich, daß ich Wenk Hammersten und Ymir Feuerhand, den Welpen, rächen werde. Ich werde...«
Er brach ab, schluckte krampfhaft
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