Der Hexer - NR35 - Die seelenlosen Killer
haben. Wäre es anders, wären wir bisher wohl kaum unbehelligt geblieben.«
»Aber wieso –«, begann Cohen, wurde aber sofort wieder von Howard unterbrochen:
»Später, Inspektor. Jetzt lassen Sie uns erst einmal die Verletzten hier herausbringen. Um Sarim de Laurec und seine Anhänger kümmern wir uns danach.« Er lächelte matt. »Sarims größte Waffe ist die Heimtücke. Und jetzt, wo wir alle wissen, was gespielt wird, werden wir auch mit ihm fertig.« Er wandte sich an Frankenstein. »Wie viele Templer sind im Haus?«
»Woher soll ich das wissen?« fragte Frankenstein. »Ich sah zwei in die Bibliothek hinaufgehen. Drei, die wir überwältigen konnten. Dazu den einen, den Rowlf verfolgte... Aber es können genausogut zwei Dutzend sein. Ich würde vorschlagen, wir machen einen kleinen Umweg über Scotland Yard und lassen uns eine Hundertschaft Polizeibeamter mitgeben.
»Warum nicht gleich die Royal Navy?« fragte Cohen spitz. Er zog eine Grimasse. »Nur keine Sorge. Mit diesen Blechidioten werden wir auch so fertig.« Er ballte kampflustig die Fäuste. »Gehen wir.«
Sie verließen den Keller. Cohen, Frankenstein und Howard stützten die drei Verwundeten, die kaum mehr die Kraft hatten, auf eigenen Füßen zu stehen, während Lord Darender und Gray, der trotz seines Alters eine erstaunliche Zähigkeit an den Tag legte, vorauseilten. Sie durchquerten den zweiten Raum, in dem die drei Templer lagen, die Rolf ausgeschaltet hatte, nahmen die Treppe in Angriff und standen wenige Augenblicke später vor der Tür, die in den oberen Keller von Andara-House hinaufführte.
Genauer gesagt, hinaufgeführt hatte.
Frankenstein prallte überrascht zurück, als Lord Darender die Tür aufstieß und statt des erwarteten Gerümpelkellers das samtene Blau des Nachthimmels über ihnen lag.
»Andara-House?« murmelte Cohen mißtrauisch.
Frankenstein sagte vorsichtshalber gar nichts. Mit einem Satz war er bei der Tür, drängte Gray unsanft beiseite und erstarrte mitten im Schritt.
Die Wand, in der die Tür eingelassen war, gehörte zu einem baufälligen Lagerschuppen, der in einer schier endlosen Reihe gleichförmiger Gebäude stand. Vor ihnen, nur einen Steinwurf entfernt, schimmerte das Wasser der Themse. Ein finsterer Schatten glitt in einiger Entfernung vorüber.
Es war völlig unmöglich, dachte Frankenstein entsetzt – aber sie befanden sich nicht in Robert Cravens Haus, sondern in unmittelbarer Nähe des Hafens. Am anderen Ende der Stadt.
* * *
Allisdale rannte wie von Furien gehetzt die Treppe hinauf. Es war ihm egal, wohin sie führte. Er wollte nur endlich aus dem Treppengang heraus. Immer wieder sah er im Laufen nach oben, aber die versteinerten Körper seiner Gefährten blieben immer auf gleicher Höhe mit ihm, als bewegte er sich in Wahrheit gar nicht von der Stelle oder als folgten sie ihm. Das Lächeln auf Bruder Frederiks Zügen war zu einer höhnischen Teufelsfratze geworden. Sein Mund formte Worte, nein – Laute, wie sie keine menschliche Kehle jemals hervorbringen konnte, während sich seine steingewordenen Hände langsam aus der Wand lösten, dünne, klebrig glitzernde Fäden hinter sich herziehend, und seine Hand sich Allisdales Gesicht entgegenstreckte.
Allisdale kreischte vor Angst, kam aus dem Tritt und stolperte über eine Stufe. Er fiel, prallte gegen die Wand und zerrte in einer reflexhaften Bewegung das Schwert aus dem Gürtel. Fast, als gehorche sie einem eigenen, schrecklichen Willen, bewegte sich die Klinge nach oben, beschrieb einen perfekten Halbkreis und prallte gegen die gierig ausgestreckte Steinklaue, die nach seinem Gesicht greifen wollte.
Der Laut von Stahl, der auf Stein trifft, blieb aus. Blut tropfte herab. Und Allisdale begann zu begreifen, daß er einer gräßlichen Täuschung erlegen war. Aber seine Arme bewegten sich weiter, wie von eigenem, mörderischem Willen beseelt, packten das Schwert fester und ließen die Klinge wirbeln.
Dann war es vorbei.
Die Treppe war wieder eine Treppe, der entsetzliche Schacht nichts als ein von Staub verhangenes Treppenhaus, und Allisdale sah sich den Körpern seiner beiden Kameraden gegenüber, de Granville tot, Bruder Frederik dem Tode nah.
Allisdales Magen schien sich zu einem festen, harten Klumpen zusammenzuziehen, als er endgültig begriff, was er getan hatte. Was geschehen war.
Bruder Frederik starrte ihn an. Seine Augen waren groß und dunkel vor Schmerz, und eine Düsternis war darin, die mit jedem Herzschlag zunahm. »Du...
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