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Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London

Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London

Titel: Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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traute. Schafe gehörten nun einmal nicht zu den intelligentesten Vertretern der Tierwelt.
    Während er sich durch Morast und Ried kämpfte, gab Frederic Murphy leise Lockrufe von sich, in der Hoffnung, das verirrte Schal auf sich aufmerksam zu machen. Erfolg hatte er damit allerdings nicht. Und da es inzwischen zu dunkel geworden war, um mehr als verschwommene Konturen zu erkennen, konnte er das Tier, wenn es denn überhaupt da war, natürlich auch nicht sehen.
    Sein Verstand sagte ihm schon bald, daß er sich auf ein ziemlich sinnloses Unterfangen eingelassen hatte, aber da er ein sehr gewissenhafter Mensch war und wohl auch ein bißchen zur Sturheit neigte, setzte er die Suche fort. Dabei wurde ihm zunächst gar nicht so recht bewußt, daß er dem gefährlichen Sumpfloch mittlerweile bedrohlich nahe gekommen war. Als er merkte, daß seine Beine schon fast bis zu den Knien einsanken und es immer anstrengender wurde, sie wieder aus dem Morast zu befreien, erschrak er beinahe. Nun war es wirklich an der Zeit, die Suche abzubrechen.
    »Bruce?« rief er.
    »Ja, Daddy?« Die Stimme seines Sohns, der oben auf der Weide wartete, klang unglücklich und besorgt.
    »Ich komme zurück. In zwei, drei Minuten bin ich wieder bei dir.«
    Bruce stieß einen Laut der Erleichterung aus, dem man deutlich anmerken konnte, wie sehr er sich danach sehnte, endlich nach Hause gehen zu können.
    Frederic Murphy wollte eben eine Kehrtwendung machen, als er plötzlich unmittelbar vor sich ein eigenartiges Geräusch wahrnahm. Es war ein Glucksen, ein Schmatzen, das sich anhörte, als ob sich etwas Großes, Schweres aus dem Sumpf lösen würde.
    Frederic Murphy verhielt den Schritt, blieb bewegungslos stehen, um sich besser konzentrieren zu können. Er spürte, wie sich sein Pulsschlag beschleunigte, wie sein Herz unruhig zu hämmern begann. Sein Instinkt, durch sein Leben in der freien Natur besonders geschärft, sagte ihm, daß irgend etwas nicht so war, wie es sein sollte. Daß da irgendwo vor ihm etwas Lebendiges war.
    Da war das Geräusch wieder, gurgelnd, blubbernd. Und dann war da auf einmal ein Geruch in der Luft – nein, kein Geruch, vielmehr ein Gestank, der so bestialisch war, daß Murphy krampfhaft gegen ein schier überwältigendes Gefühl des Ekels ankämpfen mußte. Er keuchte, versuchte, die Luft anzuhalten, konnte den entsetzlichen Gestank, der wie eine unsichtbare Wolke der Pestilenz auf ihn eindrang, jedoch nicht fernhalten. Übelkeit übermannte ihn, lähmte ihn förmlich.
    »Daddy?« hörte er die besorgte Stimme seines Sohns. »Daddy, wo... wo bist du?«
    Murphy wollte antworten, aber als er den Mund öffnete, kam nur ein heiseres, ersticktes Krächzen hervor. Jetzt hörte und roch er nicht nur etwas, nein, er sah auch etwas. Eine gigantische Masse hatte sich aus dem Sumpf erhoben, ein amorphes Etwas, so abgrundtief schwarz, daß er es nur wahrnehmen konnte, weil die Dunkelheit der Nacht, die es einhüllte, im Kontrast dazu geradezu hell wirkte. Die furchtbare Schwärze wuchs vor ihm auf wie eine bis zum Himmel reichende, fugenlose Mauer. Und eine Kälte, wie sie nur in den toten Schluchten zwischen den Sternen denkbar erschien, griff nach Frederic Murphy, lähmte seine Sinne vollends und ließ ihn in eine gnädige Bewußtlosigkeit sinken.
    Das quälende, grauenvolle Heulen, das in diesem Augenblick wieder in der nebelverhangenen Ferne hörbar wurde, drang nicht einmal mehr in sein Bewußtsein.

    * * *

    Ja, es war in der Tat eine Art Verrücktheit, die Besitz von mir ergriffen hatte. Wo ich auch ging, was ich auch tat, fortwährend erschien ein großer, schlanker, sonnengebräunter Mann vor meinem geistigen Auge.
    Sir Henry Baskerville!
    Ich tat alles mögliche, um sein Bild aus meinem Bewußtsein zu verbannen, vertiefte mich bis zur geistigen Erschöpfung in den geschäftlichen Unterlagen, die Aufschluß über meinen erstaunlich großen Aktienbesitz gaben, ja suchte sogar Kontakt zu dem mir eigentlich verhaßten Londoner Gesellschaftsleben. Aber es half alles nichts – Henry Baskerville war immer dabei.
    Tagelang hatte ich gegen die Versuchung angekämpft, nähere Informationen über meinen Plagegeist einzuholen – und sah mich letzten Endes doch veranlaßt, der Versuchung nachzugeben. Und so wußte ich mittlerweile einiges über diesen Mann, der aus völlig unerfindlichen Gründen für mich der wichtigste Mensch der ganzen Welt geworden zu sein schien.
    Henry Baskerville war erst vor wenigen Wochen nach England

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