Der Hexer - NR39 - Die Rache des Schwertes
mehr ich nachdachte, um so stärker wurden die Indizien, die für die Störung seines Geistes sprachen. So hatte er das Tuch, das sein Gesicht verbarg, nicht einmal in der Nacht abgelegt. Er hatte auch nicht mit mir zusammen gegessen. Selbst beim Trinken hatte er sich stets zur Seite gedreht, damit ich sein Gesicht ja nicht sehen konnte. Soviel ich wußte, war dies nicht einmal bei den Tuareg üblich, die ja ihr Gesicht ebenfalls verhüllen.
Wieder stand ich einer Zahl von Fragen gegenüber, auf die ich keine Antwort wußte. Nur eins war mir jetzt endgültig klar: Ich durfte diesem Mann weder offen widersprechen, noch ihn irgendwie reizen. Ich konnte nur hoffen, daß er sein Versprechen einhielt und mich nach Alexandria brachte.
»Wie lange werden wir nach Alexandria brauchen?« erinnerte ich ihn.
»Alexandria...? Ach ja, wir werden es bald erreichen!« antwortete er mit tonloser Stimme. Ohne mich weiter zu beachten, nahm er den Zügel des Lastkamels und stieg auf seine Stute. Mit einem kurzen, kehligen Laut ließ er die Tiere aufstehen und ritt in die Wüste hinaus.
* * *
Nach der ersten Viertelstunde begann ich Sill el Mot zu verfluchen. Das Kamel, das er gebracht hatte, mochte vielleicht schnell und ausdauernd sein, doch als Pferd hätte man es in jeder Trabrennbahn wegen unreiner Gangart disqualifiziert. Das Vieh lief in ruckartigen Bewegungen, deren Stöße mich bis ins Mark erschütterten, und schwankte dabei wie ein Schiff im Sturm. Ich hatte genug zu tun, um nicht vom Sattel herabgeschleudert zu werden, und war froh, daß der Hengst Sill el Mots Stute aus freien Stücken hinterherlief. Lenken hätte ich ihn nicht gekonnt.
Erst nach geraumer Zeit hatte ich mich soweit an das Schaukeln gewöhnt, daß ich mich ein wenig umsehen konnte.
Sand und Dünen, so weit mein Auge reichte. Nur im Norden wurde die fürchterliche Öde durch einige kleine, dunkle Punkte unterbrochen. Da ich mir nicht sicher war, ob sich diese Punkte bewegten, preßte ich die Augen zusammen und beschattete sie mit meiner rechten Hand, um genauer sehen zu können.
Tatsächlich, irgend etwas folgte unserer Spur und holte dabei rasch auf. Die Beni Dschaffar, war mein erster Gedanke, da mir die Anzahl der Punkte für Templer zu groß erschien. Doch irgendwie sahen diese Punkte nicht nach Kamelen aus. Ich wußte nicht, wonach sie aussahen – aber eindeutig nicht nach Kamelen.
»He, Sill el Mot, sind das da hinten Hyänen?« rief ich, um meinen Begleiter auf die Punkte aufmerksam zu machen. Der Beduine warf einen Blick zurück und stieß eine heftige Verwünschung aus.
»Bei allen Teufeln der Hölle! Das sind Menschen! Wir müssen fliehen!« Mit diesen Worten faßte er die Leine des Lasttieres kürzer, peitschte auf seine beiden Kamele ein und raste davon. Ich wollte ihm folgen, doch da begann mein Hengst zu bocken.
»Vorwärts«, schrie ich das Tier an und schlug ihm die Zügelenden gegen den Hals. Doch statt den beiden anderen Kamelen nachzulaufen, wurde das Vieh noch störrischer und blieb stehen. Sill el Mot hatte schon fast eine halbe Meile gewonnen, während hinter mir die Punkte rasch größer wurden. Schon konnte ich erkennen, daß es Reiter auf Pferden waren, und sah ihre weißen Umhänge im Wind flattern. Ich hielt sie jetzt endgültig für Beduinen von dem Stamm, bei dem Sill el Mot die Kamele entliehen hatte, und ich stellte mir vor, was sie mit mir anstellen würden, wenn ich in ihre Hände geriet.
Das Ergebnis dieser Überlegung war nicht sehr ermutigend. Verzweifelt schlug ich mit beiden Fäusten auf den Hengst ein und brüllte ihn an, daß es meine Verfolger hören mußten. Doch mein Kamel stieß nur einen kollernden Laut aus, der wie ein Lachen klang, und steckte seinen Kopf zwischen den Vorderbeinen hindurch.
Da tauchte neben mir ein Schatten wie aus dem Nichts auf. Ich riß den Stockdegen hoch und wollte in einer Reflexbewegung zustechen, als ich Sill el Mot erkannte. Er beugte sich weit über den Hals seiner Stute und faßte die Zügel des bockigen Kamels. Die Leine spannte sich mit einem Ruck, als Sill el Mot sein Tier antrieb und den Hengst förmlich hinter sich her schleifte.
Dann begann das Vieh endlich zu laufen. Innerhalb weniger Sekunden holte er Sills Stute ein... und biß sie in die Hinterbacken. Die Stute schrie empört auf und machte einen Satz, der Sill fast von ihrem Rücken schleuderte.
»Versuch den Hengst zurückzuhalten!« schrie er.
Das war leicht gesagt. Doch das Tier dachte nicht daran, auch
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