Der Hexer - NR39 - Die Rache des Schwertes
sagte, und es lag ein Unterton darin, der mich warnte. Trotzdem wußte ich, daß diese letzten Worte eine Lüge waren. Und auch wieder nicht. Doch mir war nicht klar, wieso. Denn als Sill el Mot erklärt hatte, er würde zu mir zurückkommen, hatte er die Wahrheit gesagt. Zum Teufel, wie konnte man gleichzeitig lügen und die Wahrheit sagen?
Ich spürte, daß ihn ein Geheimnis umgab, ein Geheimnis, dem ich zuletzt sehr nahe gekommen war. Zu nahe für sein Gefühl, denn er hatte mit seiner Rechten zum Griff seines Schwertes gegriffen. Er löste sie jedoch schnell wieder und sah mich streng an.
»Wage es nicht noch einmal, mich zu reizen, Inglistani. Ich habe Menschen getötet, die mir weniger taten!«
Dies war keine Warnung mehr, sondern eine unverschleierte Drohung. Da ich den Mann kämpfen gesehen hatte, besaß ich wenig Interesse, mich mit ihm anzulegen, vor allem nicht aus einem derart sinnlosen Grund.
»Ich möchte mich entschuldigen, Sill el Mot. Du bist der Mann der Wüste und mußt entscheiden, was hier richtig und falsch ist!«
»Deine Worte sind klug«, sagte Sill, in einem Ton, der mich fast frieren ließ. »Du bist der Fremde hier. Wären wir in Inglistan, so würde ich deinen Rat befolgen, so wie du meinen hier befolgen wirst. Doch verzeih auch mir, denn ich vergaß, daß die Wüste einen Fremden erschreckt und ihn Dinge sagen läßt, die sonst niemals über seine Lippen kommen würden!«
Nachdem wir uns auf diese Weise diplomatisch den kalten Krieg erklärt und ihn gleich darauf wieder beendet hatten, breiteten wir unsere Decken aus und legten uns zum Schlafen nieder. Zuerst hatte ich das Gefühl, auf Dornen zu liegen, so sehr schmerzten meine Verletzungen. Doch dann forderten die Strapazen der vergangenen Tage ihren Tribut.
* * *
Die schweren Streitrosse der Tempelritter und die leichten Sarazenenpferde der Mamelucken setzten sich in Bewegung. Der Kampfruf der Kreuzritter, »Gott will es!«, brauste aus fast hundert Kehlen über die Wüste. Hendrik van Retten hörte, wie ein einziger Mameluck ein »Allahu akbar!« ausstieß. Doch in der Anspannung des Angriffes achteten die Templer nicht darauf. Hätten sie es getan, hätte der arme Kerl einen Augenblick später Gelegenheit gehabt, seine Behauptung zu überprüfen.
Sie kamen dem Gebilde rasch näher. Es war riesig. Hendrik hielt es für größer als die Pyramiden. Dabei lief es nicht spitz zu wie jene, sondern endete in unzähligen Kristallrosetten, in denen sich der Wind fing und eine heulende Begleitmusik zu dem Angriff sang. Hendrik starrte auf die rauhe Oberfläche der Sandrose, die keinen einzigen Zugang zeigte, und fragte sich, wie de Valois den Eintritt erzwingen wollte.
Doch der Desert-Master ritt ohne Zögern auf die Felswand zu, stellte sich in unvermindertem Tempo kurz davor im Sattel auf und hob die Hand zu einer gebieterischen Geste. Eine Sekunde später hatte er die Wand erreicht – und ritt durch sie hindurch.
Hendrik spürte einen jähen Schreck, als sein Pferd ohne anzuhalten dem Hengst Philippe de Valois’ folgte.
Aber der schreckliche Aufprall, auf den er wartete, kam nicht. Es gab keine Wand. Er tauchte in eine Schwärze ein, die tiefer und undurchdringlicher als alles war, was er bisher gesehen hatte. Für einen Augenblick erloschen alle Geräusche bis auf ein Knistern und Raunen, das nicht von dieser Welt zu kommen schien. Panik packte ihn; er wollte schreien. Doch seine Lippen blieben so stumm wie die Welt um ihn. Der Desert-Master, seine Ordensbrüder, ja selbst das Pferd unter ihm schienen wie von der Schwärze verschlungen. Allein seine Angst war noch real. Eine Angst, wie er sie noch niemals zuvor in seinem Leben empfunden hatte.
Gerade, als sich der Gedanke, für immer in dieser ewigen Dunkelheit gefangen zu sein, lähmend auf sein Bewußtsein zu legen begann und die Furcht übermächtig zu werden drohte, schollen die begeisterten Rufe seiner Kameraden auf, und er begriff, daß alles gutgegangen sein mußte. Erleichtert riß er sein Schwert aus der Scheide und brüllte sich seine Anspannung und seine Angst aus der Kehle.
Plötzlich schlug ihm grelles, schmerzhaftes Licht entgegen. Hendrik schloß geblendet die Augen und legte, als das nichts half, die linke Hand schützend vor die Sehschlitze seines Helmes. Doch das Licht drang mit einer Leichtigkeit durch den Panzerhandschuh, als bestände dieser aus Glas. Hendrik erkannte kaum, daß sie in eine weite Halle eingedrungen waren, deren glatte Wände und Decken
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