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Der Hexer - NR45 - Der abtrünnige Engel

Der Hexer - NR45 - Der abtrünnige Engel

Titel: Der Hexer - NR45 - Der abtrünnige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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schüttelte sie verwirrt den Kopf.
    »Es geht nicht. Ich weiß nicht mehr, wie der Mann aussah.«
    »Aber Sie müss’n doch noch wenigstens in etwa wiss’n, wat es für’n Typ war«, brummte Rowlf.
    Hilflos zuckte Sill mit den Schultern.
    »Ich verstehe das selbst nicht. Ich weiß genau, was der Mann tat, aber ich kann ihn mir nicht im geringsten vorstellen. Er bleibt nur ein dunkler Schatten, obwohl ich ihn ganz genau gesehen habe.«
    Howard blickte sie durchdringend an, forschte in ihrem Gesicht nach einem Anzeichen, daß sie ihn belog oder zumindest nicht alles sagte, was sie wußte, aber er fand nichts. Ihre Verwirrung schien echt zu sein. Anscheinend hatten die Ereignisse sie doch mehr mitgenommen, als er geglaubt hatte; offenbar hatte sie einen Schock erlitten.
    Er räusperte sich.
    »Nun gut, lassen wir das. Es wird Ihnen schon wieder einfallen. Ich glaube ohnehin nicht, daß der Mann uns sonderlich weiterhelfen kann.«
    »Also wa’ten wir un leg’n nur die Hände innen Schoß«, brummte Rowlf böse.
    »Genau das werden wir nicht tun«, antwortete Howard mit einem versteckten, doch sehr ernsten Lächeln.

    * * *

    Ziellos irrte ich durch die Straßen. Längst wußte ich nicht mehr, wo ich mich befand und wie viele Stunden vergangen waren. Am Horizont begann es bereits zu dämmern. Noch niemals zuvor war mir London so groß vorgekommen, aber ich machte mir nicht einmal die Mühe, nach bekannten Punkten zu suchen. Ich rannte einfach immer weiter und begrüßte die Seitenstiche und den Schmerz in meinen Beinen; lenkten sie mich doch ein wenig von meinen finsteren Grübeleien ab und bildeten eine Art körperliches Gegengewicht zu meiner unnatürlichen geistigen Gleichgültigkeit.
    Als Gray mir die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte, war ich erschrocken gewesen, aber das wirkliche Entsetzen war erst später gekommen. Ich war wie betäubt, fühlte mich hilflos wie niemals zuvor in meinem Leben. Und selbst jetzt war der Schock nicht so groß, wie er eigentlich hätte sein müssen. Vielleicht weigerte sich mein Gehirn schlichtweg, die Tatsache, daß Gray mich nicht erkannt hatte, zu akzeptieren, und brauchte Zeit, um den unbegreiflichen Vorfall zu verarbeiten. Der eigentliche Schock würde erst später kommen, dann aber um so schlimmer.
    Vielleicht war ich durch die Erlebnisse der letzten Zeit auch einfach zu abgestumpft, um etwas anderes als ein dumpfes Gefühl der Taubheit zu verspüren.
    Etwas war während meiner Abwesenheit in London geschehen, auf das ich mir keinen Reim machen konnte. Senil war Gray nicht gerade zu nennen. Auch den Gedanken, man könnte ihm das Gedächtnis geraubt haben, verwarf ich sofort wieder, denn an meinen Namen hatte er sich erinnert.
    Nur an mein Aussehen nicht.
    Gut, ich war schmutzig und zerlumpt, aber das reichte keinesfalls als Begründung. Nicht einmal die wahnwitzige Vermutung, ich könnte mich durch irgend etwas verändert haben, traf zu, wie mir ein Blick in eine spiegelnde Straßenpfütze zeigte.
    Aber was zum Teufel hatte das alles zu bedeuten? Die Szene hätte einem Alptraum entstammen können; einem von der ganz besonders gehässigen Sorte, bei denen man auch nach dem Aufwachen noch lange Zeit nicht zwischen Traum und Realität unterscheiden konnte. Aber ich war ja noch nicht einmal aufgewacht, obwohl ich mir nichts sehnlicher wünschte, als von der schmalen Pritsche in meiner Kabine an Bord der JENNIFER THYS aufzuspringen und meinetwegen auch wieder mit dem Kopf an den verdammten Balken darüber zu knallen, mit dem ich während der Überfahrt des öfteren Bekanntschaft gemacht hatte.
    Es war nur ein Wunschbild, und ich wußte es. Meine Ankunft in London war ebenso real wie alles, was danach passiert war.
    Alles in mir drängte mich, so schnell wie möglich zum Ashton Place zu laufen, doch gleichzeitig verspürte ich Angst, Angst davor, daß mir dort das gleiche passieren würde wie bei Gray. Der Gedanke, von Howard oder Rowlf ebenfalls nicht erkannt zu werden, war unerträglich. Denn irgendwo tief in mir spürte ich, daß es so sein würde.
    Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf, ohne daß ich in der Lage war, mich zu konzentrieren und auch nur halbwegs klar zu denken.
    Ich fuhr zusammen, als ich die Berührung von etwas Hartem im Rücken spürte.
    »Keine unvorsichtige Bewegung«, befahl eine kalte Stimme.

    * * *

    »Etwas stimmt nicht«, murmelte Priscylla.
    Unruhig ging sie in dem kleinen Krankenzimmer auf und ab, in das sie zusammen mit Jackson

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