Der Hexer - NR47 - Stadt der bösen Träume
uns, dazu eine Stille, die mich unangenehm an das tödliche Schweigen erinnerte, das uns auf der NAUTILUS begrüßt hatte. Von van der Croft und seinen Männern war so wenig zu entdecken wie von der Besatzung Vulkanos.
Wir erreichten einen breiten Gang. Fahles Sonnenlicht fiel durch mehrere Fenster in der Decke herein, und nach wenigen weiteren Schritten traten wir ins Freie hinaus.
Über uns spannte sich ein wolkenloser Mittelmeerhimmel. Obwohl es auch hier winterlich kalt war, lagen die Temperaturen ungleich höher als in England, und die Sonne wärmte sogar ein wenig. Trotzdem fror ich in der nassen Kleidung wie der sprichwörtliche Schneider.
Vor uns lag Vulkano, die sagenumwobene Insel Kapitän Nemos, und ich wußte nicht genau, was ich erwartet hatte – aber auf jeden Fall nicht das.
Der Anblick war beinahe zu normal.
Nemos Männer wohnten in kleinen Häusern, die ein regelrechtes Dorf bildeten, nicht sehr weit von unserem Standort entfernt. Und es war so leer wie das Schiff, auf dem wir hergekommen waren. Nirgendwo entdeckten wir einen Menschen.
Im erstbesten Haus zogen wir uns um. Ich hatte mich in den letzten Jahren erst an feine Kleidung gewöhnt, deshalb fiel mir der Wechsel nicht schwer, aber Howard wirkte in Leinenhose, kariertem Hemd und einer schmuddeligen Jacke schlichtweg lächerlich, zumal er sich bemühte, auch jetzt noch seinen aristokratischen, stolzen Gesichtsausdruck beizubehalten, und ihm die Kleidungsstücke um einige Nummern zu groß waren.
»Hör schon auf, so dämlich zu grinsen«, fauchte er mich an und zupfte an seinem Hemd herum. »Jetzt ist wirklich nicht die Zeit, auf solche Nebensächlichkeiten zu achten.«
Natürlich hatte er recht, was aber nichts daran änderte, daß sein Anblick überaus erheiternd wirkte. Immer noch von einem Ohr zum anderen feixend, verließ ich hinter ihm das Haus.
Wir brauchten rund eine Stunde, um die Siedlung zu durchsuchen. Trotz des auf den ersten Blick beinahe enttäuschenden Äußeren war es mehr als beeindruckend, was Nemo und seine Leute hier in aller Heimlichkeit geschaffen hatten. Es gab riesige Forschungslabors, einen regelrechten kleinen Hafen, eine autarke Energieerzeugungsanlage, deren Funktionsprinzip ich lieber gar nicht erst zu ergründen versuchte, und über deren Tür ein gelbes Schild mit aufeinander zulaufenden schwarzen Dreiecken das Betreten verbot (darunter war ein etwas kleineres, auf dem zu lesen stand: Made in Tschernobyl) – und unzähliges mehr. Wunder über Wunder.
Und dennoch war die Insel tot.
Außer uns hielt sich kein Mensch mehr hier auf, nicht einmal mehr van der Croft und die anderen Besatzungsmitglieder der NAUTILUS. Und auch Nemo selbst fanden wir nicht. Der Gedanke erschreckte mich, aber auch er war offensichtlich dem unbekannten Einfluß zum Opfer gefallen.
An einer Stelle, einige Dutzend Schritte von der Siedlung entfernt, gähnte ein kraterartiges Loch im Fels, wo ein Teil des Bodens ausgehoben worden war. Die Erdmassen türmten sich neben dem Krater zu einem Hügel. Bizarre Maschinen, die wie tote Ungeheuer mit überdimensionalen Reißzähnen und Schaufeln aus Stahl wirkten, standen am Rand und auf dem Grund des Kraters. Ein Teil der lotrecht abfallenden Wände wirkte wie glasiert und deutete darauf hin, daß man hier mit einer besonders wirkungsvollen Art von Sprengstoff gearbeitet hatte.
Eine Wand führte als sanfter Hang in die Wunde hinab, die man der Erde geschlagen hatte. Die tonnenschweren Maschinen hatten das Erdreich flachgewalzt, so daß auch wir bequem hinabsteigen konnten, was wir dann auch taten – obwohl ich mich dabei alles andere als wohl fühlte. Aber wir hatten ja gar keine andere Wahl. Wenn wir nicht Nemo oder wenigstens einen seiner Männer fanden, war es zweifelhaft, ob wir jemals wieder von dieser Insel herunterkommen würden.
Erst, als wir den größten Teil der Strecke zurückgelegt hatten, entdeckte ich den Eingang des Stollens. Was von weitem wie eine der zahlreichen, beim Graben entstandenen Ausbuchtungen der Felswand ausgesehen hatte, erwies sich bei genauerem Hinsehen als ein völlig ebener, wie von einem gigantischen Bohrer gefräster Einstieg in die unterirdische Stollenanlage, von der van der Croft berichtet hatte.
Mir kam es vor wie das geöffnete Maul eines schwarzen Molochs, der bereits Nemo und seine Leute verschlungen hatte und nun auf einen Trottel aus London wartete, der im Begriff stand, freiwillig hineinzugehen.
Ich tauschte einen Blick mit Howard, doch
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