Der Hexer - NR47 - Stadt der bösen Träume
müssen. Mit aller Macht klammerte ich mich an die Hoffnung, daß der Shoggote ihn nicht töten würde und ich später eine Gelegenheit fand, Howard zu helfen, so wie ich mich auch gegen die Vorstellung vom Tode Nemos und seiner Leute sträubte. Es war nur eine geringe Hoffnung, aber ich klammerte mich dennoch daran, weil es die einzige war, die mir noch blieb.
Ich taumelte weiter und erreichte den Stollenausgang, obwohl bei jedem Schritt Zentnergewichte an meinen Beinen zu zerren schienen.
Geblendet kniff ich die Augen zusammen, als ich ins Sonnenlicht trat. Ich mußte träumen, oder schlichtweg den Verstand verloren haben (was böse Stimmen mir schon seit Jahren nachsagten). Vor mir dehnte sich eine schier unendliche Landschaft, die von einer fahlen Sonne beschienen wurde.
Eine Sonne.
Mehr als hundert Fuß unter der Erde!
* * *
Es war verwirrt.
Gestärkt durch die mittlerweile mehr als hundert Opfer sandte es in rhythmischen Abständen seinen Ruf in die Unendlichkeit, ohne daß das erwartete Echo eintraf. Der Ruf war machtvoll genug, auch in die entlegensten Winkel der Welt zu dringen – und darüber hinaus –, aber der Meister schwieg noch immer.
Der lähmende Schlaf mußte noch länger gedauert haben, als Es geglaubt hatte. Gewaltige Veränderungen hatten sich auf der Erde vollzogen, wie Es den Gehirnen seiner Opfer entnommen hatte. Veränderungen, die auch den Meister selbst betreffen mußten, und von denen Es nichts wußte.
Einen zeitlosen Augenblick lang keimte die schreckliche Vorstellung in ihm auf, daß es das Schleichende Chaos überhaupt nicht mehr geben könnte, aber sofort unterdrückte Es den törichten Gedanken. Der Herr des Onyxschlosses war unsterblich. Er war und würde immer sein. Es gab keine Macht, die ihn töten könnte. Nicht einmal die ÄLTEREN GÖTTER hatten dies vermocht, die einzige Rasse im Universum, die jene besiegt hatten, die von Menschen GROSSE ALTE genannt wurden. Die Rasse des Meisters.
Wieder sandte Es seinen Ruf aus. Mit all seinen unmenschlichen Sinnen konzentrierte Es sich auf eine noch so schwache Antwort, und darüber hätte Es die Annäherung der beiden Menschen fast zu spät wahrgenommen. Es war das zweite Mal binnen kurzer Zeit, daß jemand zu ihm kam, ohne daß Es ihn gerufen hatte, und das steigerte seine Verwirrung noch.
Diesmal war es noch anders als beim ersten Mal. Die beiden Ankömmlinge waren ihm fremd. Sie waren zuvor nicht auf der Insel gewesen, deren Bewohner Es mittlerweile gänzlich in seine Gewalt gebracht hatte. Sie kamen aus völlig freiem Willen.
Es war bereits zu spät, die Falle zu vervollkommnen. Einen der Ankömmlinge vermochte Es so leicht wie alle anderen zu bezwingen, während der andere sich mit einer Waffe zur Wehr setzte, die selbst ihm Schmerzen bereitete. Dennoch hätte Es ihn ebenfalls bezwingen können, doch Es zögerte. Deutlich konnte Es die unglaublich starke Magie spüren, die er beherrschte. Eine Magie, die sogar ihm gefährlich werden konnte, die den Ruf aber um ein Vielfaches verstärken würde.
Es mußte ihn unter seinen Willen zwingen, aber es war nicht nötig, den Kampf selbst zu führen. Schließlich besaß Es genügend Helfer. Entkommen konnte der Fremde ihm nicht mehr. Nicht hier. Nicht in der Kalten Wüste.
Nicht in Kadath.
* * *
Ich konnte nicht glauben, was ich sah. Über mir wölbte sich ein Himmel von der Farbe einer schmutziggrauen Wolldecke, vor dem Wolken träge dahinzogen. Ein kühler, aber sanfter und nicht unangenehmer Wind wehte mir entgegen. Er trug den Geruch blühender Blumen mit sich. Vor mir erstreckte sich eine hügelige Landschaft, die sich irgendwo am Horizont verlor. Und inmitten der sanft ansteigenden, von Gras und einem Blumenteppich bedeckten Hügel erhob sich die Stadt.
Der Anblick der filigranen, zerbrechlich anmutenden Türme und kunstvoll ineinander verschachtelten Häuser raubte mir für einen Moment den Atem. Mit ihren gepflegten Parks, den Teichen und unzähligen Springbrunnen wirkte die Stadt wie gemalt. Kein Baumeister konnte eine Stadt wie diese entwerfen. Ich konnte nicht erkennen, aus welchem Material sie erbaut war. Keinesfalls handelte es sich um gewöhnliches Gestein.
Wenn der Gedanke nicht so unmöglich gewesen wäre, hätte man annehmen können, die Stadt wäre ganz aus Glas errichtet. Kunstvoll geschliffenes Glas, das sein Aussehen je nach Lichteinfall änderte. Mal schimmerten die Bauwerke wie polierter Marmor, dann wieder wie blankes Silber, und gelegentlich
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