Der Hexer und die Henkerstochter
Patienten.« Er tastete noch einmal nach dem Puls des Knaben, der so schwach wie der eines kleinen Vogels war. »Außerdem ist Hitze nichts Schädliches. Der Körper kämpft mit der Krankheit, und das macht ihn warm. Ich würde Eurem Martin stattdessen viel Flüssigkeit verabreichen, vielleicht einen Sud aus Angelika, Fieberklee und Holunder. Möglicherweise auch Schafgarbe und Fenchel. Man müsste sehen, worauf der kindliche Körper besser anspricht.«
Graf Wartenberg hob erstaunt die Augenbrauen. »Er scheint sich wirklich gut auszukennen mit den Arzneien. Meister Schreevogl hat mir offenbar nicht zu viel versprochen, als er Ihn mir heute in der Taverne empfahl.«
Und mich damit in Teufels Küche brachte! , dachte Simon. Danke recht schön, Meister Schreevogl! Wenn mir der Junge unter der Hand wegstirbt, kann ich gleich mit Nepomuk zusammen aufs Schafott steigen.
Dann fiel ihm jedoch ein, dass er ohnehin mehr über den Grafen und seine Absichten in Erfahrung bringen wollte. Vielleicht war es ja Gottes Fügung, dass er sich um den Buben kümmern sollte. Während der Behandlung ließ sich sicher das eine oder andere herausfinden. Davon abgesehen – waren Magdalena und er nicht deshalb hier in Andechs, um dem Heiland für die Heilung ihrer eigenen Söhne zu danken? Der Junge vor ihm war nicht viel älter als Peter.
»Ich würde mich gern des kranken Buben annehmen«, sagte er schließlich zum Grafen. »Erlaubt Ihr es mir?«
Wartenberg blickte besorgt auf seinen Sohn, der gerade eben wieder im Schlaf aufschrie. Er drückte die Hand des Jungen und streichelte ihm über die fieberheiße Wange. »Habe ich denn eine Wahl?«, murmelte er. »Er hat ja recht, Fronwieser. In München bin ich umgeben von geldgierigen Blutsaugern und studierten Dickwänsten, die das Dozieren mit dem Heilen verwechseln. Außerdem glaube auch ich nicht, dass der Junge die Reise dorthin überstehen würde. Also werde ich ihn wohl Seiner Obhut anvertrauen müssen.« Abrupt stand er auf. »Er hat freie Hand. Geld soll keine Rolle spielen. Wenn Er Gulden für Arzneien oder seine Auslagen braucht, meld Er sich. Außerdem hat Er Tag und Nacht freien Zugang zu diesem Zimmer.« Plötzlich kam der Graf ganz dicht an Simon heran, so dass der Medicus noch einmal dessen strenges Parfum riechen konnte. »Wenn der Junge allerdings stirbt, dann lass ich Ihn als Quacksalber an den höchsten Zinnen der Klostermauer aufhängen, als Exempel für zukünftige Fälle«, sagte er leise. »Und Er wird lange zappeln, dafür sorge ich. Hat Er mich verstanden?«
Simon nickte, wobei er sichtlich blasser im Gesicht wurde. »Ihr … Ihr könnt Euch auf mich verlassen, Euer Exzellenz«, erwiderte er. »Ich werde alles tun, um das Leben Eures Kindes zu retten. Lasst mich nur kurz hinüber ins Hospital gehen, um die nötigen Arzneien zu holen.«
Graf Wartenberg entließ ihn mit einer unwirschen Handbewegung, und Simon begab sich unter mehrmaligen Verbeugungen mit Jakob Schreevogl nach draußen.
»Was habt Ihr mir da nur eingebrockt«, zischte Simon dem Ratsherrn zu, als sie endlich außer Hörweite waren. »Als hätte ich zurzeit nicht genug andere Sorgen!«
Schreevogl drückte die Hand des Medicus. »Meister Fronwieser«, begann er leise. »Habt Ihr die vom Weinen geröteten Augen des Grafen gesehen? Dieser Mann ist nichts weiter als ein Vater, der Angst um sein Kind hat! So wie ich damals um meine Clara. Erinnert Ihr Euch?«
Simon nickte zögerlich. Tatsächlich hatte er Schreevogls geliebte Stieftochter vor einigen Jahren einmal von einer ähnlich schweren Grippe geheilt. Allerdings hatte ihm damals ein seltenes Medikament zur Verfügung gestanden, das er nur durch Zufall erworben hatte. Diesmal würde er mit den üblichen Arzneien auskommen müssen.
»Als der Graf mich heute früh in der Klostergaststätte ansprach, ob ich einen guten Arzt wüsste, habe ich sofort Euren Namen genannt«, sprach Jakob Schreevogl weiter. »Ich konnte nicht anders. Ich bin sicher, Ihr werdet den Knaben heilen.«
»Ach, und was ist mit den übrigen Kranken, die nicht das Glück haben, dass ihr Vater ein Graf ist?«, erwiderte Simon zornig. »Wer soll sich um die Armen kümmern, während ich dem verwöhnten Bürschlein hier Honig und Salbei einträufel?«
»Ich dachte, Eure Frau …«, begann Schreevogl.
»Vergesst meine Frau. Die muss auf unsere zwei Bälger aufpassen.«
Der Patrizier lächelte. »Dann wird wohl meine Wenigkeit Euch ein wenig zur Seite stehen
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