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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Stimme lauter. Das war schon deshalb nötig, um sich gegen das immer gellendere Schreien der Kinder Verhör zu verschaffen. Trotz seiner eher zierlichen Gestalt baute der Schinder sich nun vor dem verunsicherten Jüngling auf; seine Hand fuhr zum Messer, das am Schürzenband steckte. »Auch wenn ich ein dreckiger Schinder bin, hab ich trotzdem ­meinen Anstand!«, krakeelte er. »Ihr nennt mich nicht ­einen Lügner. Ihr nicht! Wer seid Ihr überhaupt?«
    »Äh, das ist der Sohn des Schongauer Bürgermeisters«, versuchte Magdalena ihn zu beruhigen, während sie gleichzeitig die zwei greinenden Buben auf dem Arm schaukelte. »Ich bin sicher, alles wird sich aufklären.«
    »Dann soll der Sohn des Schongauer Bürgermeisters ­dahin gehen, wo er hergekommen ist«, brummte Graetz, nur wenig besänftigt. »Hier ist er jedenfalls nicht mehr erwünscht.«
    Mit offenem Mund und leicht zitternd, wandte sich Se­bastian Semer an seinen Vater. »Vater, hast du gehört, was die­ser …«
    Karl Semer wiegelte mit einer unwirschen Handbewegung ab. Er schien kurz davor zu explodieren, doch er bewahrte die Fassung.
    »Nun gut, wir gehen, Henkerstochter«, sagte er leise. »Aber sei dir sicher, wenn ich deinen Vater irgendwo in Andechs finden sollte, dann lass ich ihn festnehmen und verhören. Wegen Verdachts auf Einbruch in ein Kloster und wegen Blasphemie. Und dann wollen wir doch mal sehen, wer störrischer ist – der Schongauer oder der Weilheimer Scharfrichter. Wie ich gehört habe, soll dieser Meister Hans ein harter Hund sein. Er wird sich mit Freuden eines Kollegen annehmen, der als falscher Franziskaner sein Unwesen treibt.« Karl Semers Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Wer weiß, vielleicht hat dein Vater ja sogar etwas mit der Leiche des Uhrmachers zu tun, die man heute früh aus dem Klosterbrunnen gefischt hat.«
    Magdalena sah ihn verständnislos an. »Virgilius’ Leiche ist aufgetaucht? Aber …«
    Der Bürgermeister schmunzelte. Es tat ihm offensichtlich gut, die so selbstbewusste junge Frau vor ihm endlich ein wenig verunsichert zu sehen.
    »So ist es. Offenbar hat ihn dieser verruchte Apotheker verbrannt und dort hineingeworfen. Der Prior, der wohl auch bald der neue Abt sein wird, hat es mir soeben selbst erzählt. Der Fall ist also geklärt.« Semer lächelte maliziös. »Dein Vater hat ganz umsonst herumgeschnüffelt. Dieser Apotheker wird als Mörder in Weilheim verbrannt, und wir alle können schon bald wieder unseren Geschäften nachgehen.« Er machte eine angedeutete Verbeugung. »Und nun muss ich mich wirklich verabschieden. Bevor mir von dem Gestank hier drin noch übel wird.« Karl ­Semer rümpfte die Nase, dann winkte er seinem Sohn, der bebend vor Zorn neben ihm stand. »Komm schon, Sebastian. Das ist kein Ort für unsereins.«
    Erhobenen Hauptes verließen die Semers gemeinsam mit den zwei ratlosen Jägern das Schinderhaus. Magdalena und Michael Graetz sahen ihnen schweigend nach.
    »Ich fürchte, du bist mir eine Erklärung schuldig«, sagte der Schinder, als die Schritte der Wachen endlich verklungen waren. »Warum ist dein Vater nicht da, wenn er doch da ist? Und was hat es mit diesem falschen Franziskaner auf sich? Ich erinnere mich, dass ich tatsächlich mal eine solche Gestalt bei uns im Haus gesehen hab.« Er zwinkerte Magdalena zu. »Nicht dass ich diese zwei aufgeblasenen Pfeffersäcke ungern angelogen hab, schon allein, weil sie unsere Familie beleidigt haben. Aber ich wüsste doch gern, warum dieser Prahlhans so außer sich war.«
    »Das … das ist eine lange Geschichte«, seufzte Magdalena. »Lass mich erst einmal die Kinder wieder hinlegen. Dann kann ich dir vielleicht das eine oder andere erzählen. So wie es ausschaut, war nun ohnehin alles umsonst. Jetzt, da Virgilius tot ist, können wir auch nicht mehr auf die Hilfe des Abts zählen. Nepomuk wird wohl brennen.«
    Nachdem sie die zwei Buben hinüber in die Kammer gebracht und ihnen noch ein Schlaflied vorgesungen hatte, kam sie hinüber in die Stube und setzte sich neben den Schinder an den Tisch.
    »Also …«, begann sie zögernd. »Wo fang ich an?«
    »Am besten bei deinem Vater«, sagte Michael Graetz. »Was in aller Welt hat der störrische Hammel denn nun schon wieder ausgeheckt?«
    Weder Magdalena noch Graetz bemerkten, dass sie von draußen belauscht wurden. Als der Mann genug gehört hatte, schlich er leise durch die Weißdornbüsche davon.
    Mit klopfendem Herzen betrat Simon die Räume des Fürs­tentrakts im

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