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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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vorausgegangen, und ich werde ihm irgendwann folgen.«
    »Er stand Euch wohl sehr nahe, Euer Bruder?«, hakte Magdalena vorsichtig nach.
    Der Abt nickte. »Markus war der jüngere von uns beiden. Als Bub habe ich mich oft um ihn kümmern müssen. Er hatte immer nur Flausen im Kopf!« Ein schmales Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Sein Studium in Salzburg hat der Nichtsnutz einfach abgebrochen und ist auf Wanderschaft gegangen. Rom, Madrid, Paris, Alexan­dria … Sogar in Westindien war er! Ich dachte, ich würde ihn nie wiedersehen. Doch dann stand er plötzlich hier vor dem Kloster, und ich habe mich, damals noch als einfacher Mönch, für ihn eingesetzt. Er schien …«, Pater Maurus ­zögerte, »nun, endlich angekom­men. Doch ich hatte mich getäuscht.«
    Der Abt machte eine lange Pause und starrte ins Leere. »Manchmal glaube ich, dass all dieses Streben nach Wissen uns nicht wirklich glücklich macht«, sagte er schließlich. »Im Gegenteil, es entfernt uns von Gott, vom einfachen kindlichen Glauben. Markus hat diesen Glauben nie besessen, auch nicht als Mönch, er war immer rastlos, nie ruhte er in sich.«
    Von weit entfernt erklang Glockenläuten, vermischt mit den Gesängen der Gläubigen.
    »Hört Ihr das?«, fragte Pater Maurus. »Die Menschen singen und beten, und sie sind glücklich. Sie brauchen keine Automaten und keine Spieluhren, und sie wollen auch nicht wissen, dass die Erde eine Kugel ist, die sich in den unendlichen Weiten des Universums um die Sonne dreht. Sie wollen essen, trinken, lieben und glauben, mehr nicht.« Seufzend stand er auf. »Aber vielleicht ist das die neue Zeit, dass man immer mehr nach Wissen strebt und sich dabei immer weiter von Gott entfernt.«
    Gedankenverloren glättete der Abt seine Kutte und starrte einen Moment lang auf den grinsenden Faun. Mit einem Kopfschütteln wandte er sich von der Statue ab.
    »Ich werde diesen Götzen abreißen lassen«, sagte er leise. »Und auch die Statuen der griechischen Götter in der Grotte, die sich so fröhlich musizierend im Kreis drehen. So etwas lenkt uns nur vom wahren Glauben ab. Vielleicht hat der Fluch ja dann ein Ende.«
    Noch einmal nickte er Magdalena zu, dann schritt er so langsam wie ein Greis zum Ausgang. »Gehabt Euch wohl, Henkerstochter«, murmelte er, während er das ­Gatter öffnete. »Ich werde mich nun als einfacher Gläubiger den an­deren auf dem Platz anschließen und beten. Das solltet Ihr auch tun.«
    Ein letztes Mal sah er hoch, seine Augen schimmerten feucht. »Bleibt nicht zu lange in diesem Garten«, mahnte er. »Glaubt mir, etwas abgrundtief Böses lauert hier.«
    Das Gatter schloss sich knarrend, und schon bald waren die Schritte des Abts verklungen. Von fern ertönten noch immer die Gesänge der Wallfahrer, sie klangen wie ein monotones einstimmiges Summen, das an- und wieder abschwoll.
    Magdalena straffte sich und sah den Faun an. Er grinste und schien ihr zuzublinzeln. Fast so, als wollte er ihr etwas Vertrauliches mitteilen.
    Vergiss den alten Narren. Bleib hier bei mir! Ich bin nicht böse, ich bin nur fremd. So fremd wie du, Henkerstochter!
    Trotz des warmen Junimorgens begann Magdalena plötzlich zu frösteln. Die duftenden Kräuter und Blumen, die kleinen Mäuerchen, die rankenden Erbsen und Bohnen kamen ihr mit einem Mal gar nicht mehr so freundlich und einladend vor wie noch vor ein paar Minuten. Die Kapuzinerkresse schien sich zu winden wie Nattern, die flink über die Steine huschenden Eidechsen sahen sie verschlagen an, ja der ganze Garten wirkte auf einmal fremd und bedrohlich. Und noch etwas anderes irritierte sie.
    Sie hörte das Brummen der Hummeln, das Zwitschern der Spatzen in den Büschen, das Rauschen der Bäume im nahen Kiental, das Plätschern eines fernen Brunnens.
    Was sie jedoch nicht hörte, waren ihre Kinder.
    Mein Gott! , fuhr es ihr durch den Kopf. Lass das nicht wahr sein!
    »Peter? Paul?«, rief Magdalena ängstlich in das wuchernde Grün hinein. »Wo seid ihr?«
    Keine Antwort kam, nur die Hummeln summten friedlich weiter.
    »Kinder!« Ihre Stimme wurde nun ein wenig schriller. »Die Mama sucht euch. Sagt doch einen Ton!«
    Noch immer war nichts zu hören. Magdalena hob den Saum ihrer Schürze und rannte entlang der Mäuerchen und Rankgitter, die sich labyrinthartig durch den Garten zogen. Sie rutschte aus, schlug sich das Knie auf, doch sie spürte keinen Schmerz. Nur ein einziger Gedanke wirbelte durch ihren Kopf.
    Die Kinder sind weg! Der Hexer hat die

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