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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Menge anschließen. Noch immer hofften sowohl Simon wie auch Jakob Kuisl, dass am heutigen Tag des Dreihostienfests irgendetwas geschah, was ihnen vielleicht weiterhelfen konnte.
    Verschlafen rieb sich Simon die rotgeäderten Augen. Bereits in den frühen Morgenstunden war er zum Grafen Wartenberg gerufen worden. Der Medicus war sich dabei vorgekommen, als ginge er zu seiner eigenen Hinrichtung, doch seine Befürchtungen hatten sich als grundlos erwiesen. Das Jesuitenpulver schien tatsächlich gewirkt zu ­haben! Der Junge war fieberfrei und ganz offensichtlich auf dem Weg der Besserung. Ein- oder zweimal hatte der Graf Simon misstrauisch von der Seite angesehen, und der Medicus fürchtete schon, seine gestrige Durchsuchung des Arbeitszimmers wäre doch noch aufgefallen. Aber dann hatte der Graf ihm nur aufmunternd auf die Schulter geklopft. Simon hatte sich beherrschen müssen, um nicht unwillkürlich zusammenzuzucken.
    Ein jäher Schmerz brachte den Medicus zurück in die Gegenwart auf dem Klosterplatz. Ein Pilger war ihm versehentlich auf die Füße getreten. Simon unterdrückte einen Fluch und wandte sich flüsternd seinem Schwiegervater zu: »Und wenn Euch nun jemand erkennt?« Seit ihm Magdalena von ihrer unglückseligen Begegnung mit den Semers erzählt hatte, rechnete Simon jede Stunde damit, dass die Tarnung des Henkers aufflog. »Ihr hättet wenigstens einen weniger auffälligen Mantel anziehen können! Habt Ihr nicht selbst gesagt, dass die Klosterbüttel hinter Euch her sind?«
    »Schmarren«, knurrte Kuisl und zog seinen Kragen noch ein wenig höher. »Die haben heut wirklich Besseres zu tun, als einen dahergelaufenen Franziskanermönch zu suchen. Schau doch selbst, was hier los ist!« Mit seinem kräftigen Arm deutete er auf die Menge der Pilger, die von Minute zu Minute dichter wurde. Von überall wehten kirchliche Gesänge zu Simon herüber. Es roch so intensiv nach Weihrauch, dass ihm beinahe schwindlig wurde.
    »Wir können nur hoffen, dass diese Krankheit, die umgeht, nicht ganz so ansteckend ist, wie ich befürchte«, murmelte der Medicus. »Sonst wird noch ganz Bayern von ihr überrollt.«
    Tatsächlich schienen Wallfahrer aus den entferntesten Ecken des Kurfürstentums und noch darüber hinaus gekommen zu sein. Simon hörte die Dialekte von Schwaben, Franken, Pfälzern und Sachsen. Sogar einige ihm fremde Sprachfetzen waren darunter. Der Gedanke, dass die ­Pilger die Krankheit zurück in ihre Städte und Dörfer tragen könnten, verursachte dem Medicus ein mulmiges Gefühl. In all dem Treiben war es Simon bislang noch nicht möglich gewesen, Jakob Schreevogl zu fragen, was er gestern in der Klostergaststätte herausgefunden hatte.
    »Kruzitürken! Ich glaub, es ist gut, dass Magdalena mit den Kindern sich das hier nicht antut«, meldete sich nun erneut sein Schwiegervater. »Die Bälger werden hier nur totgetreten oder gehen verloren.« Unruhig trat er von ­einem Bein auf das andere, und Simon musste unwill­kürlich grinsen. Er wusste, dass Jakob Kuisl von jeher Schwierigkeiten mit großen Menschenansammlungen hatte. Am liebsten waren ihm der stille Wald und ein paar zwitschernde Vögel in den Bäumen.
    »Magdalena will noch einmal mit dem Abt sprechen«, erwiderte Simon. »Vielleicht weiß er doch etwas, was uns weiterhelfen kann.«
    »Heute? Vergiss es!« Der Henker spuckte aus, wobei er fast ein altes Weiblein neben ihm getroffen hätte, das ihn daraufhin böse anfunkelte. »Warum sollte der Abt am Drei­ hostienfest ausgerechnet für die Magdalena Zeit haben?«
    »Ich habe gestern Abend noch länger mit ihr geredet«, erwiderte Simon. »Sie hat Pater Maurus vor kurzem im Klostergarten getroffen. Dabei hat er ihr wohl erzählt, dass er die Hostienweisung diesmal dem Prior überlassen will.«
    »Ein Abt, der das wichtigste Fest des Jahres versäumt?« Kuisl blinzelte argwöhnisch. »Ist das nicht ein bisserl merkwürdig?«
    »Die Sache mit seinem Bruder ist Pater Maurus wohl sehr zu Herzen gegangen. Da ist es doch nur zu verständlich, wenn er sich nicht dazu in der Lage fühlt, eine Messe zu leiten.« Simon zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls hofft Magdalena, dass sie den Abt auch heute im Klostergarten antrifft. Er scheint häufiger dort zu sein.«
    Kuisl lachte höhnisch. »Und da wird er gerade mit meiner Tochter einen Plausch halten wollen? Träum weiter, Schwiegersohn.«
    »Eure Tochter ist, wie Ihr selbst wisst, äußerst durchsetzungsfähig«, sagte Simon grinsend.

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