Der Hexer und die Henkerstochter
aufgeblasene junge Pfeffersack noch in die Windeln geschissen hat.«
Unter leisem Fluchen eilte ihm Simon hinterher, während hinter ihnen noch immer die wüsten Schreie der Semers ertönten.
Mit leichtem Herzen wanderte Magdalena mit ihren Kindern durch die duftenden Blumenwiesen hinter dem Kloster. Die Sonne hatte den Zenit erreicht. Nun strahlte sie warm über die Felder und Äcker und ließ das letzte bisschen Tau des Morgens als weichen Dunst zum Himmel steigen.
Magdalena summte leise vor sich hin. Bei ihrem gemeinsamen Frühstück im Schinderhaus hatte sich Simon sichtlich um sie bemüht. Er war aufmerksam gewesen, hatte ihr gelegentlich durch das Haar gestreichelt und ihr so das Gefühl gegeben, dass er sie noch immer liebte. Nach all den gemeinsamen Jahren, nach all dem Zank und den Sorgen, schien er doch noch der Richtige zu sein.
Trotz Simons Warnungen vor einer möglichen Ansteckung hatte Magdalena schließlich mit den Kindern heute früh das Hospital aufgesucht und Jakob Schreevogl bei der Pflege der Kranken geholfen. Eigentlich hatte sie danach gleich die Hostienweisung besuchen wollen, doch als sie der Massen gewahr wurde, hatte sie spontan beschlossen, erst später während der Messe zu Simon und ihrem Vater zu stoßen. Nun wollte sie zunächst sehen, ob sie mit ihrer Vermutung recht hatte und der Andechser Abt tatsächlich auch heute im Klostergarten weilte.
»Wasser! Viel Wasser! Mann spritzt Mama nass!«, krähte Peter. Der dreijährige Bub hüpfte an ihrer Hand aufgeregt auf und ab, als der steinerne Wall am Rande des Waldes endlich vor ihnen auftauchte.
Schmunzelnd musste Magdalena daran denken, wie sie vorgestern aus dem Mund des Fabelwesens ein kalter Strahl getroffen hatte und sie ziemlich undamenhaft auf ihren Allerwertesten gefallen war.
»Oho, diesmal spritzt der Mann aber euch nass!«, sagte sie neckend und drückte die Klinke des Gatters. Insgeheim hatte sie befürchtet, dass die eiserne Pforte diesmal verschlossen war, doch erfreulicherweise öffnete sie sich mit einem leisen Knarren.
Wie bei ihrem letzten Besuch schlugen Magdalena auch diesmal wieder die exotischen Düfte der Kräuter und Blumen entgegen. Die Kinder rannten krakeelend voraus, und schon bald waren sie zwischen den Rankgittern, Mäuerchen und Rabatten verschwunden. Gelegentlich konnte Magdalena sie kieksen und lachen hören. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Dieser Platz war wirklich ein verwunschener Ort, wie eine dieser Lichtungen im Wald, wo Feen und gute Geister tanzten – eine Welt weit weg von all dem Schrecken, der draußen vor den Gartenmauern tobte.
Gespannt näherte sie sich der Mitte des Gartens, wo zwischen einigen Steinbänken der Faun stand. Wie beim letzten Mal schien er sie mit seinem frechen Grinsen anzustarren.
Auf einer der Bänke saß der Andechser Abt.
Er wirkte in Gedanken versunken, fast schon glaubte Magdalena, der alte Mann wäre eingeschlafen. Doch dann hob Pater Maurus den Kopf und blickte aufgeschreckt vom Kinderlärm in Magdalenas Richtung. Als er die Henkerstochter erkannte, lächelte der Abt müde.
»Ah, die junge Dame aus Schongau, die sich so für Kräuter interessiert«, sagte er und bot ihr mit einladender Geste einen Platz neben sich an. Seine Augen strahlten eine dunkle Melancholie aus, die Magdalena bei ihrem letzten Besuch darin noch nicht zu sehen geglaubt hatte. »Setzt Euch und erzählt mir, welche Heilpflanze Ihr gegen die Traurigkeit empfehlen würdet. Bestimmt wisst Ihr irgendein Zauberkräutlein.«
»Nun, gegen Traurigkeit helfen Baldrian, Johanniskraut oder Melisse«, erwiderte Magdalena, während sie sich mit einer leichten Verbeugung neben den Andechser Abt setzte. »Aber am besten sind meines Wissens immer noch Freunde und ein gutes Gespräch.«
Pater Maurus lachte bitter. »Mit Freunden kann ich zurzeit leider nicht dienen. Wir müssen also mit dem Gespräch vorliebnehmen.«
»Hochwürden«, begann Magdalena zögernd. »Das mit Eurem Bruder tut mir unendlich leid. Ich …«
Pater Maurus winkte ab. »Es ist besser so. Nun hat das Warten und Bangen wenigstens ein Ende. Im Grunde habe ich schon bei unserem letzten Treffen geahnt, dass Markus tot ist.«
»Markus?« Die Henkerstochter runzelte die Stirn.
»Das war sein früherer Name. Erst als Mönch nannte er sich Virgilius, so wie der berühmte Salzburger Bischof und Gelehrte.« Der Abt schlug ein hastiges Kreuz. »Wir beide sind alte Männer. Nun ist er in Gottes unergründlichem Willen
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