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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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in der Nähe herumtrieben. Die Henkerstochter dachte voller Sorge an die steilen Felsabbrüche ganz in der Nähe und beschloss, nicht sofort Simon und ihren Vater aufzusuchen, sondern sich zunächst am Rande der Schlucht umzusehen.
    »Peter, Paul? Könnt ihr mich hören? Seid ihr hier?«
    Ihre Stimme hallte hinweg über das menschenleere Kiental. Wo sie hinsah, breiteten sich Felsbrocken aus, schroffe Findlinge, die zwischen den verkrüppelten Tannen und Fichten wie versteinerte Trolle wirkten. Wie Menschenfresser, die der Herrgott vor langer Zeit für ihre Untaten bestraft hatte.
    Haben die Trolle auch meine Kinder gefressen?
    Magdalena rannte weiter, vorbei an einigen stachligen Weißdornbüschen, die ihr die Sicht auf das Tal versperrten. Plötzlich sah sie unter sich auf einem Pfad, der einige Meter tiefer am Rande der Schlucht verlief, einen der grün gewandeten Andechser Jäger in Richtung des Klosters eilen. Schon wollte sie ihn um Hilfe bitten, als der Mann plötzlich auf zwei weitere Büttel traf, die ihm entgegengelaufen waren. Wild winkend blieb der kleine Wachmann vor den beiden anderen stehen und machte atemlos Meldung. Von ihrem Platz oberhalb des Wegs konnte Magdalena nur einzelne Wortfetzen verstehen.
    »Der falsche Mönch … gestellt … flieht mit diesem ­Bader … brauchen Verstärkung …«
    Der falsche Mönch? Bader?
    Magdalena spürte, wie sich ihr die Nackenhaare aufstellten. Sie kannte in Andechs nur einen falschen Mönch und einen Bader, und das waren ihr Vater und Simon! Was in Gottes Namen war da passiert? Ganz offensichtlich hatte man ihren Vater enttarnt, und diese Männer waren hinter ihm und Simon her!
    Sie kauerte sich tief hinter einen der Weißdornbüsche und wartete, was weiter geschehen würde. Die Männer ­berieten sich kurz, ohne dass sie etwas verstehen konnte, dann gingen sie alle drei in die Richtung, aus der der erste Büttel gekommen war.
    In Magdalenas Kopf wirbelte alles durcheinander. Sollte sie es wagen, weiter nach ihren Kindern zu rufen? Gut möglich, dass die Jäger sie hören und erkennen würden. Man wusste, dass sie die Frau des Schongauer Baders war. So wie es derzeit aussah, war es besser, den Bütteln aus dem Weg zu gehen.
    Mit bangem Herzen ließ sie ein letztes Mal ihren Blick über das Tal schweifen. Sie sah Felsen, Bäume, Büsche, totes Holz …
    Keine Kinder.
    Ohnmächtig vor Verzweiflung biss Magdalena in ihre Faust. Der Schmerz half ihr, wenigstens für kurze Zeit klar zu denken. Sie brauchte Hilfe, und die einzigen beiden Menschen, die ihr außer Simon und ihrem Vater einfielen, waren der Schinder Graetz und sein stummer Gehilfe Matthias. Magdalena atmete noch einmal tief durch, dann kehrte sie um und lief über die Wiesen und Felder, bis sie auf den staubigen Feldweg stieß, der nach Erling führte. Ihr Herz schlug bis zum Hals, jeder Atemzug tat ihr weh, trotzdem rannte sie weiter, immer weiter. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, konnte sie zwischen zwei Bauernhäusern das Schinderhaus am Waldrand sehen.
    Abrupt blieb Magdalena stehen.
    Was, wenn die Jäger bereits hier gewesen waren? Zumindest die beiden Semers wussten, dass die Kuisl-Familie im Schinderhaus Unterschlupf gesucht hatte. Doch die windschiefe Kate am Rande des Waldes machte einen friedlichen Eindruck. Der kleine Gemüsegarten war menschenleer, nur ein paar Ziegen grasten angepflockt auf der Wiese neben dem Stall. Rauch kräuselte aus dem Kamin, offensichtlich schien jemand zu Hause zu sein.
    Magdalena haderte kurz mit sich, dann lief sie auf das Haus zu. Sie hatte keine andere Wahl. Allein würde sie ihre Kinder niemals finden. Vorsichtig klopfte sie an die Tür.
    »Graetz, bist du da?«, fragte Magdalena leise.
    Sie wollte bereits ein zweites Mal anklopfen, als die Tür auf schwang und der sichtlich aufgeregte Schinder zu sehen war.
    »Dem Herrgott sei Dank, Magdalena!«, rief er erleichtert. »Da bist du ja endlich. Komm schnell rein!« Michael Graetz sah sich argwöhnisch nach allen Seiten hin um, dann zog er die Henkerstochter zu sich in die Stube und verrammelte die Tür.
    Entsetzt bemerkte Magdalena das Chaos in der kleinen Stube. Tisch, Bank und Stühle waren umgeworfen. Die große schwere Truhe in der Ecke war gewaltsam geöffnet worden, zerrissene Tücher und zerbrochenes Tongeschirr lagen überall in der Stube verteilt.
    »Diese beiden Schongauer Pfeffersäcke waren eben mit zwei Bütteln hier«, begann Graetz ohne Umschweife und deutete auf die Zerstörung

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