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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Schulter.
    »Nichts für ungut, Matthias«, sagte er aufmunternd. »Ich wollt dich nicht kränken. Du wirst sehen, die Kinder tauchen wieder auf. Und dann kannst du mit ihnen spielen. Alles wird gut.«
    Ein Lächeln breitete sich auf Matthias’ Gesicht aus. Verlegen wischte er sich die klobigen Hände an seiner Schinderschürze ab, dann ging er unter mehrmaligen, etwas dümmlich wirkenden Verbeugungen wieder nach draußen.
    »Ein armer Hund«, seufzte Michael Graetz. »Was hätte nur aus ihm werden können, wenn diese Söldner ihm nicht die Zunge herausgeschnitten hätten!« Er wandte sich wieder Magdalena zu. »Ich werde jetzt zu ein paar Leuten in der Gegend gehen, denen wir vertrauen können«, sagte er verschwörerisch. »Der Totengräber, der Schäfer, der Barbier unten aus Herrsching, der Köhler von Ramsee … Allesamt Unehrliche!« Er lachte kurz laut auf. »Wir sind mehr, als die meisten wissen. Gemeinsam werden wir deine Familie schon wiederfinden.«
    Magdalena drückte ihm die Hand. »Hab Dank, Graetz. Das vergess ich dir nie.« Ein fast bedrohliches Funkeln lag plötzlich in ihren Augen. »Und jetzt geh ich meinen Vater suchen«, sagte sie leise, aber entschlossen. »Glaub mir, dieser verruchte Hexer wird noch wünschen, sich niemals mit den Kuisls angelegt zu haben.«
    Magdalena mied die staubige Landstraße. Mit wehendem Rock eilte sie im Schutz von Brombeer- und Weißdorn­büschen Richtung Machtlfing, ein kleines Dorf, das etwa zwei Meilen entfernt lag. Mittlerweile war es früher Nach ­mittag, und die Sonne brannte fast unangenehm heiß vom Himmel. Vom Westen her schoben sich die ersten Wolkentürme heran, es würde heute noch ein Gewitter geben.
    Michael Graetz hatte ihr den Hügel genau beschrieben. Er lag hinter dem sogenannten Bäckerbichl, ein wenig versteckt in den Wäldern. Doch selbst wenn ihr der Schinder nur die ungefähre Richtung gewiesen hätte – sie hätte den kleinen Berg nicht verfehlen können. Auf der von niedrigen Sträuchern gesäumten Kuppe befanden sich die ver­fallenen Überreste eines Holzgerüsts. Einst hatten hier drei im Dreieck angeordnete Steinsäulen gestanden, die mit darüber­gelegten Balken verbunden gewesen waren. Einer der Balken war bereits vor langer Zeit zu Boden gefallen, wo er seitdem vor sich hin faulte; ein zweiter lehnte schief an ­einer der verwitterten Säulen. Trotzdem ließ sich noch gut erkennen, was vor langen Jahren der Zweck dieses ­Hügels gewesen war.
    Magdalena stand vor dem Erlinger Galgenberg.
    Mühsam bahnte sie sich ihren Weg auf einem von Unkraut und Gesträuch überwachsenen Pfad, der den kleinen Hügel hinaufführte. Michael Graetz hatte der Henkerstochter erzählt, dass hier schon seit Urzeiten Hinrichtungen stattgefunden hatten. Doch mittlerweile hängte man in der nächsten großen Stadt Weilheim, wo auch der Landrichter residierte. Nur während des Großen Krieges waren auf dem Erlinger Galgenbichl noch gelegentlich desertierte Söldner oder aufmüpfige Bauern aufgeknüpft worden. Magdalena musste an den Vater des stummen Matthias denken, der hier vor den Augen seines Sohnes in der Luft gezappelt hatte. »Den Wind reiten«, nannten die Menschen dieses unwürdige Schauspiel. Manchmal dauerte es bis zu einer Viertelstunde, bis endlich der Tod eintrat.
    Inständig hoffte Magdalena, dass sie ihren Vater und Simon hier oben treffen würde. Beide wussten von dem Erlinger Galgenhügel, Graetz hatte ihnen mehrmals davon erzählt. Der Galgenberg lag zwar nur wenig abseits der Straße, um Reisenden ein abschreckendes Bild zu vermitteln. Doch mittlerweile waren auf dem Hügel Sträucher und kleine Bäume gewachsen. Das nächste Haus stand viele hundert Schritt ­entfernt. Da die verwesenden Leichen der Diebe und Straßen­räuber oft noch monatelang an den Balken baumelten, war der Gestank früher gerade im Sommer so stark gewesen, dass niemand in der Nähe wohnen wollte. Außerdem galten Galgenhügel von jeher als verfluchte Orte, die man mied – der perfekte Ort also für ein geheimes Treffen. Magdalena betete, dass ihr Vater auf den gleichen Gedanken gekommen war.
    Erwartungsvoll stapfte die Henkerstochter die letzten Meter hinauf zur Kuppe. Einige hungrige Krähen saßen auf den morschen Balken und beäugten sie misstrauisch. Schließlich erhoben sich die Vögel krächzend und flogen Richtung Kiental davon. Dornige Brombeersträucher ­waren über das morsche Holz hinweggewachsen, Bienen summten, ein Kaninchen verschwand hoppelnd

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