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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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gegeben?«
    Matthias öffnete den Mund und rang um ein Wort. »Aaaannnn«, kam schließlich hervor.
    »Ein Mann?«, fragte Magdalena hoffnungsvoll. »Was für ein Mann, Matthias?«
    »Aaaarrrzzzer Aaannn. Aaaaarrrrzzzer Aaaann.«
    »Verflucht, so sprich doch deutlich!«, tobte Michael Graetz. »Was für ein Mann war das?«
    »Ich fürchte, so kommen wir nicht weiter«, sagte Magdalena und schluckte schwer. Die Sorge um ihre Kinder ließ sie kaum einen vernünftigen Gedanken fassen. Sie blickte erneut auf die schwarzen Zeilen. Die Schrift war verschmiert, einzelne Tintentropfen waren über das Papier geflossen und hatten Flecken hinterlassen, die Magdalena an Blut erinnerten.
    Schlaf, Kindlein, schlaf … Deine Mutter war nicht brav …
    Plötzlich fiel der Henkerstochter ein, dass Matthias zwar nicht sprechen, dafür aber schreiben konnte. Hektisch suchte sie in dem Chaos auf dem Boden nach Feder und Tintenfass. Als sie endlich beides heil in einer Ecke gefunden hatte, drehte sie den Zettel um und reichte ihn Matthias gemeinsam mit dem Schreibgerät.
    »Schreib uns auf die Rückseite, wer dir den Brief gegeben hat«, forderte sie ihn auf.
    Matthias nickte und lächelte schief, dann kritzelte er ­einige Zeilen auf den fleckigen Zettel. Schließlich gab er ihn zurück an Magdalena.
    Schnell überflog sie die Worte, die in korrekten, hübsch geschwungenen Lettern verfasst waren.
    Ein Mann in schwarzer Kutte und mit Kapuze hat mir den Brief am Klostertor gegeben. Ich sollte ihn gleich der Schongauer Henkerstochter überbringen. Ich weiß nicht, wer der Mann war.
    Erwartungsvoll blickte der große stämmige Matthias Magdalena an, wie ein Hündchen, das auf Lob wartet.
    »Danke, Matthias«, sagte Magdalena schließlich und faltete den Zettel wieder zusammen. Nachdenklich steckte sie ihn unter ihre Schürze.
    »Kann es denn ein Mönch gewesen sein?«, erkundigte sie sich. »Schließlich trug er eine schwarze Kutte. Sag, war es einer der Benediktiner?«
    Der Geselle zuckte mit den Schultern und grinste unsicher. »Eichch nich …«
    »Du weißt es nicht, du Hornochse?«, hakte Michael Graetz ungeduldig nach. »Aber die Stimme? Hast du vielleicht die Stimme erkannt?«
    Matthias wiegte sein rotblondes Haupt, er schien sich innerlich zu winden. Doch kein weiteres Wort kam über seine Lippen.
    »Himmelherrgott!«, fluchte Graetz. Er packte seinen fast zwei Köpfe größeren Gesellen am Kragen. »Wenn du nicht sofort dein Maul …«
    »Lass ihn«, fuhr Magdalena dazwischen. »Er weiß es ganz offensichtlich nicht. Und mehr wirst du aus ihm auch nicht rausprügeln. Wir müssen uns wohl oder übel etwas anderes einfallen lassen.« Ihre Lippen wurden schmal, in ihren Augen funkelte eine neue Entschlossenheit. Dieser sogenannte ­Hexer hatte ihre Kinder entführt, um sie und ihren Vater zum Schweigen zu bringen! Unbewusst ballten sich ihre Hände zu kleinen harten Fäusten. Nun, wenigstens war nun die Un­sicherheit weg. Sie wusste, was mit den beiden Kleinen geschehen war – und sie konnte handeln.
    »Als Erstes muss ich meinen Vater und den Simon finden«, sagte sie schließlich leise. »Der Vater wird wissen, was zu tun ist. Er hat noch immer einen Ausweg gewusst.«
    »Und wenn ihn die Büttel bereits geschnappt haben?«, fragte Michael Graetz.
    »Den Vater?« Magdalena lächelte müde. »Da müssten schon andere kommen als so ein paar dahergelaufene Andechser Jäger. Jede Wette, dass er und der Simon ihnen entwischt sind. Fragt sich nur, wo die beiden sich jetzt her­umtreiben.« Sie machte ein nachdenkliches Gesicht. »In Andechs werden sie überall gesucht, hierher nach Erling können sie auch nicht gehen. Es müsste also ein Ort sein außerhalb des Dorfes, den sowohl ich wie auch mein Vater kennen …« Plötzlich hellte sich ihre Miene auf. »Natürlich, das wäre möglich!«, rief sie. »Es ist jedenfalls der einzige Ort, der mir einfällt, wo wir in aller Ruhe miteinander sprechen können und wo uns sicher keiner stört. In Schongau hab ich ihn auch gelegentlich dort getroffen.«
    Sie wandte sich an den verdutzten Schinder und fragte ihn nach dem Weg.
    Michael Graetz nickte zögerlich. »So wie ich deinen Vater kenne, könntest du tatsächlich recht haben. Er war ja schon immer ein wenig …« Er grinste verlegen. »Nun ja, seltsam.«
    In kurzen Worten beschrieb er ihr, wie sie dort hingelangen konnte. Dann klopfte er seinem Gesellen, der traurig und zusammengesunken ein wenig abseits stand, auf die

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