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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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verschluckt.«
    Der Bibliothekar fuhr sich über die spröden Lippen. »Die Jäger berichten tatsächlich von einem Bär von Mann, der vier von ihnen das Fürchten gelehrt hat«, murmelte er. »Muss gekämpft haben wie ein Berserker. Einen der Jäger hat er wie einen Kiesel in die Schlucht geworfen. Seid Ihr sicher, dass das Euer Mann ist?«
    »Ha, das ist er!«, rief Karl Semer. »Kuisl war im Großen Krieg ein Doppelsöldner. Er gehörte zu den besten Solda ten und bekam doppelten Lohn. Der nimmt es zur Not auch mit einem Dutzend Gegnern auf.« Er seufzte. »Ein guter Henker, fürwahr. Leider ist er auch äußerst störrisch und schafft immer wieder Unruhe. Vor allem dann, wenn man es am allerwenigsten brauchen kann. Der Kuisl schnüffelt gern herum und wühlt Dreck auf, der gut hätte liegen­bleiben können.« Mit besorgtem Blick tätschelte er die Schulter seines Sohnes. »Natürlich wollen auch wir, dass dieses unselige Kapitel hier in Andechs endlich abgeschlossen wird, nicht wahr, Sebastian? Aber soviel ich weiß, ist der Täter doch bereits gefasst. Alles Weitere schafft nur Verwirrung und ist nicht gut für unsere, äh …«
    »Geschäfte«, brachte Prior Jeremias den Satz lächelnd zu Ende. »Ihr dürft es ruhig aussprechen. Es ist keine Schande, sein Geld zu mehren – zumal es ja zum Wohle der Kirche ist. Auch wir wären froh, wenn so bald als möglich Ruhe einkehren würde.« Mit verschränkten Armen lehnte er sich im Stuhl zurück. »Was ich jedoch nicht verstehe, ist, warum dieser, äh … Kuisl ausgerechnet hier bei uns schnüffeln muss. Schließlich ist er doch Henker und kein kurfürstlicher Beamter, nicht wahr?« Er lachte nervös und sah hinüber zu Pater Benedikt, der demonstrativ gelassen in einigen Büchern blätterte.
    »Dafür haben wir allerdings auch noch keine Erklärung«, sagte Semer und kratzte sich seine Glatze. »Seine Tochter und sein Schwiegersohn sind mit uns auf Wallfahrt gegangen, und Jakob Kuisl war zunächst nicht mit dabei. Warum er später …«
    »Wie heißt der Mann noch mal?«, fuhr der Prior dazwischen.
    »Kuisl. Jakob Kuisl. Warum?«
    Plötzlich erinnerte sich Pater Jeremias an die gestrige peinliche Befragung des Apothekers in der Weilheimer Fragstatt. Frater Johannes hatte immer wieder von einem Jakob gesprochen, der ihm helfen würde. Der Prior hatte angenommen, dass es sich dabei um den Apostel Jakob handelte, den Johannes unter Schmerzen angerufen hatte. Vielleicht hatte er ja aber genau diesen Jakob Kuisl gemeint. Nur, warum? Der schusslige Andechser Abt hatte irgendwann einmal eine Bemerkung fallenlassen, auch ­Johannes sei im Großen Krieg Söldner gewesen. Kannten sich die beiden vielleicht?
    Nervös trommelte Pater Jeremias auf die Tischplatte. Die Sache wurde immer brenzliger.
    »Ist was, Jeremias?«, fragte ihn Pater Benedikt und sah misstrauisch von seinen Büchern auf.
    »Nein, nein.« Der Prior lächelte unsicher. »Ich bin nur ein wenig müde. Das Dreihostienfest und seine langwierigen Vorbereitungen setzen einem doch mehr zu, als man sich selbst eingestehen will.«
    Er erhob sich und reichte dem fetten Schongauer Bürgermeister und seinem blassen Sohn die Hand.
    »Danke für Euren Hinweis«, sagte er in salbungsvollem Ton. »Er wird uns helfen, diesen falschen Franziskaner umso schneller zu arretieren. Wer weiß, vielleicht steckt dieser Kuisl ja sogar mit dem Hexer unter einer Decke.« Mit einer ungeduldigen Handbewegung wies er zum Ausgang. »Und nun lasst uns alleine. Es wartet noch viel Arbeit auf uns alle.«
    »Sehr wohl, Hochwürden.« Semer verbeugte sich, und der Prior ärgerte sich einen Moment, dass er noch keinen Abtsring besaß, den sein Gegenüber hätte küssen können.
    Plötzlich sah der Bürgermeister noch einmal zu ihm hoch, in seinen Augen glitzerte ein bauernschlaues Funkeln. »Hochwürden?«
    Pater Jeremias runzelte die Stirn. »Ja, Bürgermeister?«
    »Ihr erinnert Euch sicher, dass ich dem Kloster zu einem fairen Preis bestes Wachs für dreihundert Kerzen verkauft habe. Außerdem Bittbriefe mit den schönsten Drucken aus Augsburg …«
    »Auf was wollt Ihr hinaus?«
    Karl Semer setzte ein gewinnendes Lächeln auf. »Ich bin sicher, dass auch an Mariä Himmelfahrt wieder viele Pilger kommen werden. Ebenso an Allerheiligen. Habt Ihr bereits einen Lieferanten?«
    Der Prior seufzte demonstrativ. Doch innerlich freute es ihn, dass der Bürgermeister mit ihm verhandeln wollte. Der alte Andechser Abt war ganz offensichtlich schon

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