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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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bemerkt, im Gegenteil! Je schrecklicher der Krieg wurde, desto mehr pilgerten die Leute hierher. Es war ihnen egal, was sie anbeteten. Ob Blech oder Gold, allein der Glaube zählte!«
    »Und da habt ihr nach dem Krieg einfach damit weitergemacht und das Geld in eure eigene Tasche gesteckt«, schnaubte der Henker. »Gieriges Mönchspack! Es ist doch immer das Gleiche mit euch.« Misstrauisch beobachtete er den Lauf der Pistole, doch Pater Jeremias ließ ihn keine Sekunde aus den Augen.
    Der alte Bibliothekar lächelte milde. »Es war mir klar, dass ein tumber ehrloser Henker so denken würde«, erwiderte er schließlich. »Aber falls du es wirklich wissen willst – nein, wir stecken das Geld nicht in unsere eigene Tasche. Wir kaufen Bücher dafür, wertvolles Wissen, das sonst verlorengehen würde. Und wir sparen, um dieses Kloster zu etwas wirklich Großem zu machen. Schon bald können wir mit dem Umbau beginnen. Nicht wahr, Bruder Jeremias?«
    Der Prior nickte. »Der Krieg hat uns gelehrt, dass Glaube nichts kosten muss. Was soll all der Plunder, der doch nur in den Truhen der Heiligen Kapelle verstaubt? Ein paarmal im Jahr zeigen wir ein wenig davon vom Erker der Kirche aus. Die Leute freuen sich daran, sie beten inbrünstig, auch wenn es sich nur um Glassteine und Blech handelt. Und sie werden sich noch mehr freuen, wenn dieses Kloster in neuem Glanz erstrahlt. Unser Tun ist Gottes Werk.«
    Jakob Kuisl lachte laut auf. »Verflucht, ihr glaubt wirklich, dass ihr das Richtige tut, nicht wahr?«, rief er amüsiert. »Ihr seid so vernagelt, dass ihr gar nicht merkt, wie sehr ihr euch von eurem Heiland wegbewegt habt. Ihr steht mit einem Fuß in der Hölle und meint wirklich, ihr arbeitet fürs Paradies.« Kuisl nickte grimmig. »Das waren mir auf dem Schafott immer die schlimmsten Galgenvögel. Diejenigen, die bis zum Ende glaubten, sie hätten Gutes getan.«
    »Es ist mir ganz egal, was du meinst, Henker!«, schrie der Prior jetzt. »Wir sind kurz vor dem Ziel! So lange habe ich darauf gewartet, Abt zu werden. Alles schien für mich zu sprechen, und dann schicken sie Pater Maurus von der Salzburger Universität zurück ins Kloster. Was für ein Skandal! Doch unter meiner Führung wird dieses Kloster in einem neuen Glanz erstrahlen. Und nun, Eckhart, schnapp dir endlich das Weibsbild und …«
    In diesem Moment warf sich Jakob Kuisl nach vorne und rammte den fetten Cellerar mit der Schulter. Der Mönch gab ein überraschtes Grunzen von sich und taumelte nach hinten, wo er gegen einen Tisch prallte, der samt Glassteinen und Knöchelchen umstürzte.
    »Eckhart, schnapp ihn dir«, kreischte der Bibliothekar. »Er darf uns nicht entkommen!«
    Der schwarz gewandete Mönch richtete sich wieder auf, in seinen Augen glomm ein unheimliches Feuer. Es war, als hätte der Stoß in ihm längst vergessene Erinnerungen an Wirtshausschlägereien und Prügelorgien geweckt. Überhaupt machte Eckhart auf Magdalena den Eindruck, als wäre sein Leben vor der Weihe zum Benediktiner ein ganz und gar unchristliches gewesen. Mit seiner Glatze, dem Stiernacken und den schwabbligen, aber muskulösen Oberarmen sah er we­niger wie ein Mönch aus, sondern eher wie ein erfahrener Hafenschläger. Knurrend warf er sich auf Kuisl, der geschickt auswich. Trotzdem erwischte ihn Eckharts Schwinger von der Seite. Entsetzt sah Magdalena, wie ihr Vater stolperte und sich gerade noch an einer Truhe festhalten konnte.
    Er ist wirklich nicht mehr der Jüngste , dachte sie. Noch vor ein paar Jahren hätte er den fetten Mönch quer durch den Bergfried geschleift.
    Als hätte Jakob Kuisl ihre Gedanken erraten, richtete er sich trotzig auf. Er umklammerte seinen Knüppel und näherte sich wie ein schnaubender Ochse dem Cellerar.
    »Sprich deine Gebete, Bruder«, knurrte er. »Brauchst dich für deine Sünden später nicht mehr zu geißeln. Das übernehm jetzt ich.«
    Bruder Eckhart sah Kuisl aus seinen kleinen Schweins­äuglein hasserfüllt an. Suchend griff er hinter sich, tappte prüfend mit seinen fetten Pranken über einen zweiten Tisch und ergriff schließlich ein goldenes Kruzifix. Schützend hielt er es vor seine Brust.
    »Wenn du auch kein Golem bist, so kommst du doch aus der Hölle!«, zischte er. » Vade, Satanas, vade! Stirb, du Teufel!«
    Schreiend holte der Mönch mit dem Kruzifix aus und ließ es auf Kuisls Schädel niedersausen. Doch dieser tauchte im letzten Augenblick weg, hob den Knüppel und schmetterte ihn mit aller Kraft auf Eckharts

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