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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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»Entscheidend ist ganz allein, dass diese Dirne und ihr Vater uns nicht verraten. Also nimm schon deinen Knüppel runter, Henker.«
    Jakob Kuisl hatte den beiden Benediktinern bislang schweigend zugehört. Nun senkte er den Prügel und trat einen Schritt zurück.
    »Ein hübsches Spielzeug hast du da, Mönchlein«, knurrte er. »Eine echte flandrische Steinschlosspistole, wenn mich nicht alles täuscht. Muss ein Heidengeld gekostet haben. Leider gibt sie nur einen Schuss ab. Und wir sind zu zweit.«
    »Mit der Dirne wird Bruder Eckhart schon alleine fertig«, zischte der Prior und deutete auf den fetten Cellerar, der noch immer unentschlossen am Grund des Bergfrieds stand. »Er hat sich doch schon so auf das Mädchen gefreut. Da wollen wir ihn nicht enttäuschen, nicht wahr?«
    Magdalena hatte bislang hinter einer der vernagelten Kisten gestanden und die drei Benediktiner beobachtet. Nun trat sie zornig hervor.
    »Ein paar schöne Mönche seid ihr mir!«, rief sie zum Prior auf der Treppe empor. »Ist es das, was unser Heiland unter Nächstenliebe verstanden hat? Dass ihr andere einfach vergewaltigt und niederschießt?«
    »Schweig, Weib!«, meldete sich nun Pater Benedikt. »Du verstehst das nicht.«
    »Ich versteh das nicht?« Magdalena deutete auf all die Kisten um sie herum. Im Licht der Fackeln konnte sie nun rostige Kruzifixe, Kieferknochen, bunte Glassteine und Kelche aus billigem dünnen Blech auf den Tischen liegen sehen. »Ich sag euch, was ich verstehe. Ihr fälscht hier Reliquien! Keine Ahnung, was ihr mit dem Zeug anstellt, aber bestimmt schafft ihr die nachgemachten Kelche nicht in eure eigene Kapelle.«
    Der Bibliothekar lachte erneut auf. »Hab ich es nicht gesagt, dumme Henkerstochter? Du verstehst es eben nicht.«
    Magdalena sah ihn ungläubig an. »Soll das heißen …«
    »Das heißt, dass die drei hier vermutlich die echten Re­liquien verkaufen und die Fälschungen in die Heilige Kapelle stellen«, unterbrach sie ihr Vater und schwang prüfend seinen Knüppel. »Ist es nicht so? Ihr macht all die schönen Kelche, Monstranzen und Kruzifixe zu Geld, und die Leute beten in Andechs nichts weiter als dünnes Blech an.«
    Magdalenas Blick glitt über die Tische mit den Glassteinen und Stofffetzen und blieb schließlich an einem Kohlebecken hängen. Rechts davon stand ein kleiner Blasebalg, und da­neben lagen ein paar steinerne Formen, in denen es golden funkelte.
    »Ihr … ihr schmelzt die Kelche und Kruzifixe einfach ein?«, rief sie entsetzt aus. »Ihr zerstört den Andechser Heiltumsschatz und verkauft ihn als Barren weiter? Alles dort oben sind nichts weiter als billige Fälschungen?«
    »Dumme Göre.« Der Prior rollte genervt mit den Augen. »Natürlich nicht alles. Weißt du überhaupt, wie viele Reliquien sich mittlerweile dort oben angesammelt haben? Hunderte! Da fällt es gar nicht auf, wenn der eine oder andere Schrein durch billiges Metall ersetzt wird. Und die Knochen und Tüchlein kommen ja wieder hinein. Wenn man so will, verändern wir nur die Behälter, der Inhalt bleibt der gleiche.«
    Er lächelte breit, während er die Pistole weiter auf Jakob Kuisl gerichtet hielt. Magdalena konnte förmlich spüren, wie der Prior die Szene genoss. Die Waffe in der Hand schien ihm enorme Selbstsicherheit zu geben.
    »Glaubt uns, wir hatten das nicht geplant«, fuhr Jeremias fast entschuldigend fort. »Benedikt und ich mussten im Großen Krieg so oft die Reliquien des Klosters verstecken. Immer wieder kamen Horden von Söldnern, die es auf unsere Heiltümer abgesehen hatten. Wir lagerten die Schätze tief unten im Kloster, und dabei stießen wir eines Tages im Bierkeller auf einen vermauerten Durchgang. Wir brachen ihn auf, und er führte uns direkt hierher.«
    »In den verschütteten Bergfried der Andechser Burg«, murmelte Magdalena. »Wie viele dieser unterirdischen alten Gänge mag es hier noch geben?«
    »Wir haben nie nachgesehen«, sagte der Bibliothekar und rieb sich die müden kleinen Augen. »Es hat uns nicht gekümmert. Wir waren froh, in Zeiten des Krieges ein gutes Versteck gefunden zu haben.« Seine Stimme bekam plötzlich einen schrillen Ton, Hass glomm in seinen Augen. »Schlimmer als die feindlichen Söldner waren ohnehin die eigenen Soldaten! Der Kurfürst hat immer wieder Geld für seine teuren Heerzüge gefordert. Woher hätten wir das nehmen sollen, hä? Also haben wir einige der Heiltümer eingeschmolzen und durch billiges Blech und Glassteine ersetzt. Keiner hat je etwas

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