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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Magdalena meinte, die Stimme schon einmal gehört zu haben. »Das … das macht mir Angst. Irgendetwas ist dort unten, ich spüre es. Wir … wir sollten es nicht unnötig wecken.« Unvermittelt ließ er die Truhe los und fiel auf die Knie. Der Mönch ihm gegenüber hatte Mühe, die schwere Kiste allein zu halten.
    »Jesus, Maria, vielleicht stimmen die Gerüchte von diesem Golem ja doch!«, wimmerte der Kniende. »Wie heißt es in den alten Geschichten? Ein Wesen aus Lehm und Ton, dem ein verfluchter jüdischer Rabbi Leben ein­gehaucht hat! Bestimmt fühlt der Golem sich in diesen unterirdischen Felsgängen wie zu Hause. Lasst uns beten, dass …«
    Im nächsten Augenblick ließ der andere Mönch auf der Treppe fluchend die schwere Truhe fallen. Sie stürzte die Treppe hinab, überschlug sich ein paarmal, bevor sie schließlich, nur wenige Schritte von der Steinplatte entfernt, in ihre Einzelteile zersprang. Ein Regen aus Knochen, Glassplittern und Tuchfetzen ergoss sich über den Boden.
    Direkt vor Magdalena landete ein goldenes Kruzifix. Der Sturz hatte es beschädigt, das Kreuz war verbeult, an einigen Stellen war die Oberfläche abgeblättert.
    Darunter schimmerte grünlich angelaufenes Kupfer.
    »Die Reliquien!«, schrie der Mann unten im Bergfried. »Die schönen Reliquien! Du abergläubischer Narr, nun war die ganze Arbeit umsonst!«
    Die Henkerstochter rieb sich den Staub aus den Augen, während unter ihr ihr Vater wie ein störrischer Haflinger hin und her schwankte.
    »Verflucht!«, schimpfte Jakob Kuisl leise. »Was ist dort oben los? Red schon!«
    »Ich … ich bin mir nicht sicher, ob einer von den dreien hier wirklich der Hexer ist«, flüsterte Magdalena. »Aber zumindest sind wir einem weiteren Rätsel im Kloster auf die Spur gekommen. Die Reliquien …«
    Sie erstarrte, als sie bemerkte, dass der Mann neben ihr ihre Stimme gehört hatte.
    »Was zum Teufel …«, zischte der Mönch.
    Auch die beiden anderen Männer starrten nun zu ihr herunter. Sie glotzten Magdalena an, so als wäre sie ein Wesen aus der Unterwelt. Endlich konnte sie im Licht der Fackeln ihre Gesichter erkennen. Entsetzt stieß sie einen leisen Schrei aus.
    Es waren Bruder Eckhart, der Prior Jeremias und der alte, gebeugte Bibliothekar.
    »Das … das ist doch diese Henkersdirn!«, stieß der Prior nach einer Schrecksekunde hervor. »Was macht die denn hier?«
    »Ganz egal, sie hat uns gesehen«, sagte der alte Bibliothekar drohend. »Und das ist schlecht. Sehr schlecht.« Er zögerte kurz, dann winkte er den fetten Pater Eckhart zu sich heran.
    »Schau selbst, Bruder. Dort ist kein Golem, sondern nur ein dreckiges Weib. Hol sie dir, so wie du es auch mit den anderen Dirnen getan hast.« Seine Stimme wurde leise und einschmeichelnd. »Lass deinen teuflischen Trieben freien Lauf, Eckhart. Sie hat es verdient. Der Prior selbst erteilt dir seine Absolution. Wir werden dafür sorgen, dass man das sündige Weibsstück niemals wiederfindet.«
    Das Entsetzen in Eckharts Augen verschwand und machte einem dreckigen Grinsen Platz.
    »Ganz wie du meinst, Benedikt«, erwiderte er leise und leckte sich die fleischigen Lippen. »Ich hab dem lieder­lichen Ding schon einmal gesagt, dass sie an gewissen Orten nichts verloren hat. Nun, wer nicht hören will, muss fühlen.«
    Starr vor Angst beobachtete Magdalena, wie der fette Mönch langsam die Treppe herunterkam. Die groben Pranken hatte er weit von sich gestreckt, sein Mund murmelte ein leises Gebet.
    In diesem Augenblick spürte die Henkerstochter, wie ihr Körper langsam angehoben wurde. Es war ihr Vater, der sich mit ihr auf den Schultern an den Rändern der Öffnung emporzog. Für die drei Mönche in dem verschütteten Keller des Bergfrieds musste es so aussehen, als schwebte sie wie ein Engel langsam empor.
    »Was in aller Welt …«, begann Bruder Eckhart. Doch dann sah er den mit Kalk und Dreck beschmutzten Oberkörper des Henkers aus dem Loch auftauchen. Kuisl ächzte und knurrte wie ein angeschossener Bär.
    »Mein Gott, der Golem!«, kiekste der fette Mönch und taumelte einige Schritte zurück. »Es ist tatsächlich der Go ­lem, der aus der Unterwelt zu uns emporsteigt!«
    Endlich hatte sich Kuisl so weit hochgehievt, dass Magdalena von seinen Schultern springen konnte. Ihr Vater stemmte sich gänzlich aus der Öffnung und richtete sich vor den Mönchen zu seiner ganzen Größe auf. Es waren über sechs Fuß, beschmiert mit Schlamm und Lehm. Selbst in Kuisls Gesicht klebten

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