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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Laurentius. Was musste der neugierige Novizenmeister mir auch hinterherschnüffeln und diese Gänge entdecken? Beinahe wäre es ihm gelungen, mit der Monstranz zu fliehen, aber im letzten Moment hab ich ihn doch noch erwischt. Ewig brennen soll dieser nichtsnutzige Sodomit!«
    Mit einer leichten Verbeugung wandte sich Virgilius an Simon. »Ich muss mich wirklich bei Euch bedanken, Bader. Ohne Euch wären mir diese dummen Mönche vermutlich nicht auf den Leim gegangen. Aber mit Eurer Hilfe war der Apotheker schnell aus dem Weg geschafft. Mein Respekt! Ihr wärt mir ein guter neuer Gehilfe, doch leider habe ich dafür keine Zeit mehr.« Er fasste Aurora an ihren steifen Händen und drückte sie fest. »Unser neues gemeinsames Leben beginnt. Und Eures endet.«
    Seufzend wandte sich Virgilius zur hinteren Wand, wo ein Seil von der Decke hing. Er zog daran, und von irgendwoher ertönte ein leises Läuten.
    »Glaubt mir, ich will Euren Tod nicht«, sagte der Uhrmacher. »Ebenso wenig, wie ich den Tod der anderen wollte, aber es war jedes Mal unvermeidlich. Sagt selbst, wie sollte ich einen Gelähmten von hier wegbringen lassen? Mein Diener hat schon alle Hände voll damit zu tun, meine geliebte Aurora zu tragen.«
    Leise summend nahm er eine kleine Truhe aus einem der noch intakten Regale und streute überall auf dem Boden ein weißes Pulver aus.
    »Ihr habt sicher Verständnis dafür, dass ich diese Gänge zerstören muss«, fuhr Virgilius fort. »Mein Wissen darf nicht in falsche Hände geraten. Schon gar nicht in die dieses dummen, engstirnigen Priors, von dem es heißt, dass er meinen Bruder schon bald als Abt ablösen wird. Ich habe dieses Phosphorpulver immer mit dem Hintergedanken hergestellt, dass es dereinst als reinigendes Feuer hier aufräumt.«
    Verzweifelt versuchte Simon, sich aufzurichten. Mittlerweile war es ihm egal, ob Virgilius misstrauisch wurde oder nicht. Wenn der Medicus sich nicht bald bewegen konnte, würde er hier samt seiner Kinder in einem wahrhaft apokalyptischen Flammenmeer verbrennen. Simon hatte gesehen, was der Phosphor bei Vitalis, Laurentius und der Leiche des Mönchs vom Friedhof angerichtet hatte. Das bereits verstreute Pulver würde ausreichen, den Raum in einen einzigen Feuerball zu verwandeln. Verzweifelt sah Simon hinüber zu Peter und Paul, die wieder zu weinen begonnen hatten. Virgilius bemerkte Simons Blick und fuhr sich nachdenklich durch sein schütteres Haar.
    »Ach ja, die Kinder«, sagte er betrübt. »Mmmhh, was machen wir mit den Kindern? Ich bin ein alter buckliger Mann. Beide kann ich nicht durch die Gänge tragen, das versteht Ihr sicherlich. Aber vielleicht eines von ihnen?« Er lächelte verschmitzt. »Sagt selbst, welchen der Buben soll ich mit nach oben nehmen? Den Kleinen oder den Großen?«
    Noch einmal versuchte Simon krächzend etwas zu erwidern, doch Virgilius unterbrach ihn mit einer unwirschen Handbewegung. »Ich habe für Euer Gestammel keine Zeit mehr. Ich nehme den Kleinen mit, er ist leichter. Der Ältere soll seinen Vater auf seiner letzten Reise begleiten.«
    Unter seiner Kutte zog der Mönch ein Stückchen Gebäck hervor und lockte Paul damit zu sich her. Sorglos tappte der Zweijährige auf Virgilius zu, griff nach dem Plätzchen und ließ sich von dem buckligen Mann hochheben. »So ist es gut«, schnurrte Virgilius und streichelte Paul über die strubbligen Haare, während dieser sich das süße Gebäck in den Mund stopfte. »Bleib bei mir. Der Onkel hat noch mehr Leckereien. Wollen wir die Frau noch einmal singen lassen, ja?«
    Entsetzt musste Simon zusehen, wie sein jüngerer Sohn sich von Virgilius schaukeln ließ und verzückt den Klängen des Automaten lauschte, den der Uhrmacher erneut aufge­zogen hatte. Erst nach einer Weile erklangen vom Gang her plötzlich schwere Schritte.
    »Ah, mein Diener«, sagte Virgilius erleichtert und brachte mit einem Hebel am Rücken die Puppe abrupt zum Verstummen. »Schluss mit dem Tanz! Ich dachte schon, wir würden niemals aufbrechen.« Mahnend erhob er den Finger und wandte sich an den älteren Peter. »Du bleibst schön bei deinem Vater, ja? Er braucht dich jetzt. Hast du verstanden? Du gehst nicht weg.«
    Der dreijährige Knabe nickte ernst und hielt die klammen, kalten Finger seines Vaters mit seinen kleinen Händchen ganz fest.
    »Wunderbar. Dann lasst uns jetzt gehen. Doch zuvor müssen ich und mein Helfer noch ein paar letzte Vorbereitungen treffen.«
    Virgilius drehte sich zum Ausgang um, wo soeben

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