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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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beten, dass sie in keines der Dächer fahren. Warum fragt Er?«
    »Die Blitze!«, stieß Kuisl aufgeregt hervor. »Es hat etwas mit den Blitzen zu tun! Dieser Verrückte hat von Nepomuk mehr über Blitze erfahren wollen, er hat ihm seine Aufzeichnungen gestohlen, und unten in den Gängen haben wir wieder von Blitzen gelesen!«
    Er holte aus seinem Ranzen das abgegriffene Notizbuch des Hexers hervor und begann wild darin zu blättern. Schließlich stieß er ein heiseres Gelächter aus. »Wir waren so blöd!«, rief er. »So gottverflucht vernagelt! Wieso haben wir das nicht früher erkannt!«
    »Von was redest du?«, fragte Magdalena verdutzt. Doch ihr Vater hielt ihr nur das aufgeschlagene Buch hin. Sie erkannte einen menschenähnlichen Automaten, von dem Seile wegführten. Sie endeten in Zickzackstrichen, die an Blitze erinnerten. Darunter stand ein lateinischer Spruch.
    Credo, ergo sum.
    »Ich glaube, also bin ich«, murmelte Magdalena.
    »Erinnere dich«, sagte ihr Vater leise. »Als du zum ersten Mal oben auf dem Kirchturm warst. Diese merkwürdige Apparatur. Hat sie nicht in etwa so ausgesehen wie diese Zeichnung?«
    »Du hast recht.« Magdalena fuhr nachdenklich die Linien der Zeichnung nach. »So sah sie aus. Aber warum …«
    »Was soll das?«, unterbrach sie der Graf ungeduldig. »Was ist das für ein Buch, und wovon sprichst du, Henker?«
    »Virgilius!«, rief Kuisl. »Der Automatenbauer. Er will seiner verfluchten Puppe mit den Blitzen Leben einhauchen!«
    »Wieso … welche Puppe?«, fragte Wartenberg verwirrt.
    »Himmelherrgott, sind denn alle hier so schwer von Begriff? Dieser Automat natürlich, der mit ihm verschwunden ist! Virgilius hat ihn mitgenommen und glaubt nun wohl, dass er ihn beleben kann. Es muss irgendetwas mit diesen verfluchten Hostien zu tun haben. Offenbar braucht er sie, um sein Experiment zu vollenden!«
    Der Henker deutete aufgeregt auf die aufgeschlagene Seite des Buchs. » Credo, ergo sum. Ich glaube, also bin ich! Virgilius denkt vermutlich, dass der Glaube an die Hostien in Verbindung mit den Blitzen seinem ratternden, quietschenden Automaten Leben einhauchen kann. Was für ein gottverfluchter Wahnsinn!«
    »Aber Vater, das … das kann nicht sein«, warf Magdalena unsicher ein. »Virgilius ist tot. Simon hat seine Leiche doch selbst neben dem Friedhofsbrunnen gesehen.«
    »Dein Mann hat einen verbrannten Körper gesehen und daneben den Gehstock dieses ach so armen Opfers. Aber war das wirklich Virgilius? Denk nach, Kind!«
    Kuisl schüttelte grimmig lachend den Kopf, und Magdalena spürte, wie sie die plötzliche Erkenntnis schwindlig werden ließ.
    »Du meinst, er … er wollte, dass wir glauben , dass er tot ist?«, stieß sie hervor. »Ebenso, wie er wollte, dass wir glauben, er wäre entführt worden?«
    Kuisl nickte. »Er hat sich selbst entführt, um an diese vermaledeiten Hostien zu kommen! Er wusste, dass sein Bruder ihm die Hostien nur geben würde, wenn er ihm etwas vorgaukelt. Vermutlich stammt der abgeschnittene Finger von einem Toten, vielleicht sogar von Vitalis, nur um dem guten Maurus ein wenig Angst einzujagen. Alles war von Anfang an geplant! Als Virgilius merkte, dass wir ihm langsam auf die Spur kamen, hat er sich kurzerhand selbst umgebracht, um den Verdacht von sich abzulenken.« Nachdenklich rieb sich der Henker die große Nase. »Das frische Grab, das Simon und ich auf dem Friedhof gefunden haben, die Spuren in der Erde, alles passt. Virgilius selbst hat diesen toten Mönch ausgegraben, ihn mit Phosphor bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und in den Brunnen geworfen. Die Fußabdrücke neben dem Grab stammten von ihm. Wobei …« Er zögerte und gab dem Grafen damit Gelegenheit, dazwischenzugehen.
    »Verstehe ich recht? Dieser Uhrmacher hat nur so getan , als wäre er entführt worden?«, fragte Wartenberg und zog erneut die rechte Augenbraue hoch. »Und nun treibt er sich irgendwo in diesen unterirdischen Gängen herum?«
    »Der verfluchte Virgilius!«, krächzte plötzlich der Bi­bliothekar, der noch immer gefesselt am Boden lag. »Ich wusste immer, dass er Unglück über dieses Kloster bringen würde! Wenn wir eher die Herrschaft übernommen hätten, hätten wir diesen Burschen schon viel früher hinausgeworfen. Nur der Abt hat noch an ihm festgehalten.«
    »Eure Meinung ist hier nicht von Belang!«, blaffte der Graf und gab den Wachen ein Zeichen. »Bringt die beiden in den Karzer, in dem auch dieser Apotheker war. Sie sollen bis morgen darüber

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