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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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bringen. Kuisl erkannte seinen Vetter Michael Graetz, der gemeinsam mit einigen anderen Ehrlosen in vorderster Reihe stand. Doch der Henker ahnte, dass der Kampf aussichtslos war. Der Wind wehte die Flammen immer weiter hinüber zum Kloster und den Wirtschaftsgebäuden. Sogar auf die entfernte Brauerei waren mittlerweile einige glühende Dachschindeln gefallen.
    »Verflucht, Henker!«, schrie Leopold von Wartenberg, der sich mittlerweile zu den Kuisls durchgekämpft hatte. »Was hast du dort oben nur angestellt? Dafür lass ich dich von Meister Hans persönlich rösten!«
    Im Gegensatz zu den schlammbespritzten, mit Asche und Ruß beschmierten Gestalten um ihn herum war der Graf noch immer wie aus dem Ei gepellt. Sein Rock zeigte nicht die winzigste Spur von Schmutz, ein leichter Geruch von Parfum ging von ihm aus. Offensichtlich war Leopold von Wartenberg besser im Befehlen als im eigenhändigen Löschen. Gerade hob er die Hand, um dem ehrlosen Henker eine Maulschelle zu verpassen, als der Andechser Abt dazwischentrat.
    »Euer Exzellenz, dieser Mann ist unschuldig«, sagte Maurus Rambeck mit fester Stimme. Der Abt schien seine alte Arroganz zurückgewonnen zu haben. »Es war ein Blitz, der dort oben eingeschlagen hat. Er hat auch meinen Bruder und dessen Automaten verbrannt.«
    »Euren bereits toten Bruder?« Der Graf lächelte höhnisch. »Dann ist es also wahr, was dieser bauernschlaue Scharfrichter vermutet hat? Dieser Virgilius steckt hinter all dem?«
    Maurus Rambeck nickte. »Ich werde bereits morgen ­einen Bericht verfassen, auch um meine Seele reinzuwaschen. Aber nun lasst uns alle mit anpacken. Wenigstens die Bibliothek müssen wir retten.«
    »Mein Gott, die Bibliothek!« Simon humpelte hände­rin­gend auf das brennende Kloster zu. »All die schönen Bücher! Wir müssen sie dort rausholen!«
    »Verflucht, Simon, bleib stehen!«, rief ihm Magdalena hinterher, an deren angekokelten Rockzipfeln beide Kinder hingen. »Du kannst noch nicht so schnell laufen! Kümmer dich lieber um deine beiden Buben!«
    Doch Simon war bereits mit einem der Löschtrupps verschwunden.
    Magdalena seufzte. »Vielleicht hätte dieses komische Gift doch noch ein wenig länger wirken sollen«, murmelte sie. »Dann könnte er mir wenigstens nicht immer wieder aus­büxen.«
    »Wann werdet ihr Weibsbilder endlich begreifen, dass ihr uns Männer nicht ändern könnt?«, ertönte hinter ihr die brummige Stimme ihres Vaters.
    Der Henker lächelte seine Tochter an. Sein schwarzer Bart war zur Hälfte verbrannt, noch immer befanden sich winzige Glutfunken darin. »Dein Mann liebt seine Kinder, Magdalena«, fuhr er mit gespielter Strenge fort. »Aber sie sind gerettet. Jetzt muss er sich eben um seine anderen Lieblinge kümmern.«
    »Solange er dabei noch an seine Familie denkt«, seufzte Magdalena. »Bücher, Bücher, nichts als Bücher hat dieser Träumer im Kopf! Besser ich erzähl ihm gar nicht, dass unten in den Katakomben ein paar besonders wertvolle Exemplare in Rauch und Flammen aufgegangen sind. Sonst …« Plötzlich packte sie ihren Vater am Arm. »Mein Gott, die Notizbücher von Nepomuk und Virgilius! Sie sind doch nicht etwa …?«
    Der Henker nickte grimmig. »Sie sind oben im Turm verbrannt. Müssen mir in dem ganzen Trubel wohl aus der Tasche gefallen sein. Ein Jammer.« Er sah seine Tochter ernst an, doch in seinen Augen bemerkte Magdalena ein leichtes Flackern. Nur sie oder ihre Mutter konnten darin das Zeichen einer Lüge erkennen.
    »Glaub mir, es ist besser so«, fuhr Kuisl fort. »Wissen wie dieses lässt sich immer sowohl zum Bösen als auch zum Guten verwenden. Nepomuk war dem Guten verpflichtet, aber solange es Menschen wie Virgilius gibt, sollten solche Bücher nicht in irgendwelchen Bibliotheken stehen. Ihre Zeit wird ohnehin früh genug kommen.«
    Ohne ein weiteres Wort wandte er sich zum Gehen.
    »Wo … wo gehst du hin?«, schrie Magdalena. »Verflucht, könnt ihr Männer mal nicht einfach nur wortlos verschwinden, sondern sagen, was ihr vorhabt!«
    Kuisl drehte sich noch einmal zu ihr um. »Was schon? Ins Hospital geh ich. Wenn’s der Simon nicht macht, muss ich es wohl tun. Oder willst du die Kranken dort verbrennen lassen?«
    Magdalena schwieg trotzig, doch schließlich lächelte sie.
    »Wisst ihr«, sagte sie und drückte fest die Hände ihrer Kinder, während Kuisl auf das Hospital zuhinkte, »euer Groß­vater ist zwar ein sturer, ehrloser, eigenbrötlerischer Sauhund. Aber ich glaube, der liebe

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