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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Gutenachtlieder gesungen und war nun dementsprechend heiser. Besonders der dreijährige ­Peter wollte zurzeit überhaupt nicht zur Ruhe kommen und verlangte ihr einiges ab. Nachdem die Kinder die letzten Tage von ihr getrennt gewesen waren, klebten sie nun wie die Kletten an ihr. Wenigstens die Übelkeit der vergangenen Tage war mittlerweile verschwunden, wenn sie sich auch noch immer ein wenig flau im Magen fühlte.
    Gern hätte Magdalena ihre Sorgen mit ihrem Mann geteilt, aber wie so oft war Simon ganz in seine eigenen Pläne und Gedanken vertieft. Die Henkerstochter seufzte leise. Gerade jetzt hätte sie ein wenig Beistand gut gebrauchen können. Noch immer trug sie dort, wo die lautlose Kugel sie in der Nacht zuvor gestreift hatte, einen Verband um den Hals. Zwar schien die Wunde gut zu heilen, doch was blieb, war die Angst, der Unbekannte könnte noch einmal zuschlagen. Oder hatte Simon recht, und sie bildete sich dies alles nur ein? War der Fremde auf dem Turm vielleicht nur irgendein versoffener Mönch gewesen, den sie in seinem Rausch gestört hatte? Und der Schuss im Dunkeln nichts weiter als der Querschläger aus dem Gewehr eines Jägers? Waren das alles nur dumme Zufälle?
    Gedankenverloren nahm Magdalena einen weiteren Schluck Gewürzwein. Schinder Michael Graetz war auf einen oder zwei Humpen Bier ins Erlinger Wirtshaus gegangen. Ihr einziger Trost war deshalb der stumme Matthias, der ihr gegenüber auf der Ofenbank kauerte. Einmal mehr fiel ihr auf, wie hübsch der Geselle war. Er mochte Anfang zwanzig sein, und mit seinen kräftigen Armen, dem schwarzen, vorne offenen Kittel und den roten Haaren ähnelte er ein wenig einem aus dem fahrenden Volk, das gelegentlich auch in Schongau haltmachte, Lieder sang oder mit Bällen jonglierte.
    Magdalena hatte von Graetz erfahren, dass der rothaarige Bursche nicht sprechen konnte, weil ihm als Kind Soldaten die Zunge herausgeschnitten hatten. Deshalb erwartete sie auch nicht, von ihm angesprochen zu werden. Trotzdem war es seltsam, mit jemandem im Raum zu sitzen, der einen anstarrte, ohne auch nur ein einziges Wort mit einem zu wechseln.
    »Willst du denn nicht mit deinem Meister zechen gehen?«, fragte Magdalena, um wenigstens irgendetwas zu sagen. »Es war ein anstrengender Tag, und deine Kehle wird ziemlich trocken sein.«
    Der stumme Gehilfe schüttelte den Kopf, während ein würgender Laut sich seiner Kehle entrang. Er deutete auf Magdalenas Becher mit Wein.
    »Iiiicht … gut«, stammelte er.
    »Du trinkst nicht?«, hakte sie nach.
    Matthias lächelte selig, weil er verstanden worden war.
    »Und warum nicht?«
    Der hübsche rothaarige Bursche schien ein wenig zu überlegen, dann verwandelte sich sein Gesicht in eine drohende Grimasse, während er die Finger wie Klauen abspreizte.
    Unwillkürlich rückte Magdalena am Tisch ein wenig zur Seite. »Ach, du verträgst es wohl nicht?«, fragte sie zögernd.
    Matthias seufzte und verdrehte die Augen, so als wäre er betrunken. Schließlich griff er zu einem Krug Wasser und trank ihn schlürfend in einem Zug leer.
    »Aaaahhh«, machte er und rieb sich den Bauch wie nach einem guten Mahl. »Meckt … esser. Iiieel … esser!«
    »Hast ja recht«, murmelte Magdalena. »Der Alkohol verwandelt die Mannsbilder bisweilen in Bestien. In lüsterne Bestien oder in schnarchende Bären.« Sie lachte verlegen, und der gutaussehende Gehilfe starrte sie unverhohlen an. Plötzlich spürte sie die Enge der Stube wie eine zweite Haut um sich herum. Ihr wurde heiß, und die Röte schoss ihr ins Gesicht. Unvermittelt stand sie auf.
    »Sag mal«, begann sie verlegen. »Meinst, du könntest kurz auf die zwei schlafenden Schrazn aufpassen? Ich mag noch einmal raus an die Luft, und wenn du ohnehin nicht ins Wirtshaus gehst …« Sie lächelte ihn an, und Matthias schien einen Moment lang verwirrt zu sein. Hinter seiner Stirn arbeitete es, so dass Magdalena bereits annahm, der Schindergeselle wäre nicht nur hübsch, sondern leider auch leicht beschränkt. Doch schließlich nickte Matthias, auch wenn er von Magdalenas Vorschlag nicht sonderlich begeistert schien.
    »Dann … dann bis später«, sagte sie leise. »Und danke schön auch.«
    Sie schlang sich ihr Tuch um und stand gleich darauf draußen vor der Tür. Dort, in der Kühle der Nacht, musste sie beinahe über sich lachen. Was war nur mit ihr los? Offensichtlich hatten sie die Ereignisse der letzten Tage so mitgenommen, dass sie jetzt sogar schon ein stummer

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