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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Kirche um. Das Gotteshaus war bis auf den letzten Platz besetzt; Kinder jammerten, nicht wenige Menschen husteten und schnieften, ­irgendwo schlug eine Tür zu. Die Messe hätte schon vor einer guten Viertelstunde anfangen sollen. Unten im Kirchenschiff murmelten die vielen Hundert Pilger unruhig vor sich hin.
    Auch die Pater oben im Chor waren sichtlich irritiert. Sie tuschelten miteinander, und der Henker entnahm den leisen Gesprächsfetzen, dass sie alle gemeinsam auf den Abt warteten und auf den Prior, der den Gottesdienst heute leiten sollte. Als Jakob Kuisl noch einmal nach unten sah, bemerkte er, dass auch der Platz des Grafen leer war. Seine Frau versuchte die lärmenden Kinder zu bändigen und blickte immer wieder hinüber zum Kirchenportal, so als hoffte sie, dass ihr Gemahl jeden Augenblick eintreten würde.
    Der Henker lehnte sich in der harten Kirchenbank zurück und versuchte so wenig wie möglich aufzufallen. Ein Vor­haben, das bereits durch seine beträchtliche Körpergröße zum Scheitern verurteilt war. Als er vor einer halben Stunde die obere Balustrade betreten hatte, war es unter den Mönchen zu einigem Trubel gekommen. Bruder Eckhart hatte seine Mitbrüder schließlich missmutig darüber aufgeklärt, dass der große fremde Mönch ein Minorit auf der Durchreise war, dem der Abt tatsächlich den Aufenthalt im Kloster genehmigt hatte.
    Mittlerweile hatte sich die Aufregung um seine Anwesenheit gelegt, und die neugierigen Blicke waren weniger geworden. Auf diese Weise war es dem Henker möglich, die Gespräche der anderen zu belauschen.
    »Das hat es noch nie gegeben, dass sowohl der Abt wie auch der Prior die Morgenmesse verschlafen!«, schimpfte gerade leise ein dürrer Mönch zu Kuisls Rechten, und sein Banknachbar, ein älterer Glatzkopf, nickte zustimmend.
    »Wollen wir nur hoffen, dass es nichts Schlimmeres ist«, flüsterte der Kahle. »Hast du gesehen, wie Bruder Maurus gestern Abend bei der Cena aussah? Ganz blass und atemlos war er. Wenn du mich fragst, ist es dieses Fieber, das umgeht. Möge Gott verhüten, dass wir schon bald wieder einen neuen Abt wählen müssen!«
    »Nun, dann bekäme der Prior endlich die Stelle, auf die er schon so lange spechtet.« Der hagere Mönch kicherte leise. »Wenn ihn nicht selbst das Fieber geholt hat. Schließlich fehlt er ebenso.«
    »Pst, sei still! Schau, sie kommen eben aus der Reliquienkammer.«
    Der Glatzkopf deutete auf eine niedrige Tür zur Rechten des Chorgestühls, aus der soeben der Abt und der Prior traten. Sofort spürte Kuisl, dass etwas nicht in Ordnung war. Sowohl Maurus Rambeck wie auch Pater Jeremias sahen aus, als hätten sie soeben den Leibhaftigen höchstselbst erblickt. Sie waren bleich, Schweißperlen standen ihnen auf der Stirn. Rambecks Lippen zitterten, als er sich hinunterbeugte zu dem alten Bibliothekar, der in der vordersten Reihe des Chor­gestühls saß. Der Abt flüsterte dem Greis etwas ins Ohr, woraufhin dieser zusammenzuckte und ebenso erbleichte. Der Prior hatte sich in der Zwischenzeit an Bruder Eckhart und an den jungen Novizenmeister gewandt, der vor Entsetzen die Hand vor den Mund schlug.
    Der Henker runzelte die Stirn. Was in drei Teufels Namen ging hier vor?
    In diesem Augenblick dröhnten unten die schweren Flügel des zuschlagenden Kirchenportals. Graf Wartenberg hatte das Gotteshaus betreten, er wirkte über die Maßen erbost. Sein ganzer Körper schien vor Wut zu beben, während er sich mit schnellen energischen Schritten zu seinem Platz begab und dort in den gepolsterten Sessel fallen ließ. Als sich seine Frau besorgt zu ihm beugte, stieß er sie mit einer herrischen Geste beiseite und stierte dumpf vor sich hin. Bis oben ins Chorgestühl konnte Jakob Kuisl sehen, wie die Augen des Grafen zornig funkelten.
    Was ist bloß geschehen? , dachte der Henker. Ist wieder jemand umgebracht worden?
    Gerade wollte Kuisl wieder dem Gespräch der Mönche zu seiner Rechten lauschen, als er beobachtete, wie sich Abt und Prior gemeinsam mit dem Cellerar Eckhart und dem alten Bibliothekar erneut zu der niedrigen Tür am anderen Ende der Balustrade begaben und in Richtung der Heiligen Kapelle verschwanden. Der Novizenmeister war derweil über eine Treppe hinunter ins Kirchenschiff geeilt und eröffnete mit zittriger, aber lauter Stimme die Messe.
    »In nomine patri et filii et spiriti sancti, Amen   …«
    Die Pilger erhoben sich, und hinter dem Chorgestühl setzte die Orgel ein. Inbrünstig sangen die vielen Hundert

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