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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Gestammel übergegangen. Zusammengekrümmt lag sie am Boden, und Magdalena hoffte, dass Matthias sie nicht versehentlich verletzt hatte. Schon wollte sie wieder auf die Frau zugehen, um zu sehen, ob ihr nicht doch etwas fehlte, da packte sie der Schindergeselle mit einem knurrenden Laut an der Schulter und zog sie zurück. Er machte eine Geste, die andeuten sollte, dass die Greisin nicht ganz bei Trost war, und zeigte nach hinten zum Kloster. Sein Blick war eine deutliche Warnung. Sämtliche Freundlichkeit war daraus verschwunden.
    »Eggehn … esser eggehn …«, stammelte er.
    »Du hast recht, Matthias«, seufzte Magdalena. »Besser wir kehren um, bevor sie den Kindern noch was antut. Hier können wir nicht mehr helfen. Sie lebt in ihrer eigenen Welt.«
    Mit einem letzten besorgten Blick wandte sie sich ab und eilte mit Matthias und den Kindern zurück zum Hang. Eine Weile lang war noch das Wimmern der Alten zu hören, dann herrschte wieder die Stille des Waldes. Schon bald fingen die Kinder wieder an zu lachen, nach wenigen Minuten schienen sie die seltsame Begegnung vergessen zu haben. Eine weitere Viertelstunde später hatten sie sich gemeinsam den Hang hochgekämpft und standen nun wieder am Waldrand vor der duftenden Blumenwiese.
    Magdalena atmete auf. Es war, als wäre sie aus einem bösen Traum erwacht.
    »Wer in Gottes Namen war das?«, fragte sie Matthias. Doch der Geselle zuckte nur mit den Schultern und wandte sich mit einer auffordernden Geste zum Gehen.
    Zu viert eilten sie über die Wiese auf die Klostermauer zu, hinter der seit heute früh erneut Gruppen von Wallfahrern laut betend um die Kirche zogen. Inmitten einiger Pilger entdeckte Magdalena plötzlich ihren Vater. Diesmal war er ohne Mönchskutte unterwegs, er machte einen abgehetzten Eindruck. Als Kuisl seine Tochter sah, stapfte er mit energischen Schritten auf sie zu.
    »Wo in drei Teufels Namen bist du gewesen?«, knurrte er und strich seinen Enkeln geistesabwesend über den Kopf. »Simon und ich haben uns schon Sorgen gemacht.«
    »Ich war mit dem Matthias und den Kindern im Wald«, versuchte Magdalena ihren Vater zu besänftigen. »Ihr Manns bilder wart ja völlig in euer Gespräch vertieft.«
    »Ist das der Geselle vom Graetz?« Jakob Kuisl sah den rothaarigen Hünen abschätzend an. »Na, dann warst du ja wenigstens nicht ohne Schutz. Trotzdem halt ich es für besser, wenn du in Zukunft nicht mehr in den Wald gehst.«
    »Ach, ihr wollt mich wohl einsperren, der Simon und du?« Magdalena hatte wieder zu ihrer alten Selbstsicherheit zurückgefunden. »Das könnt ihr vergessen!«, raunzte sie. »Ich geh dahin, wo’s mir passt!«
    Kurz überlegte sie, ihrem Vater von der seltsamen Begegnung mit der wahnsinnigen Greisin zu erzählen. Doch dann entschloss sie sich, den Mund zu halten. In der jetzigen Lage wäre das nur Wasser auf die Mühlen ihres Vaters gewesen. Stattdessen wandte sie sich im Flüsterton an ihn. »Pass du lieber auf, dass dich der Semer hier draußen nicht sieht. Sonst kommt der noch auf dumme Gedanken.«
    »Pah!«, blaffte der Henker. »Der Semer kümmert mich so viel wie ein feuchter Arschwisch.« Er spuckte demonstrativ auf den Boden. »Und jetzt gehst du mal dahin, wo’s mir passt. Ganz im Gegensatz zu dir dummem Weibsbild haben wir zwei Männer nämlich nachgedacht.«
    »Aha, und was ist dabei rausgekommen?«
    »Das würd ich lieber mit dir alleine besprechen. Am besten auch ohne die Kinder.«
    Noch einmal musterte der Henker den stummen Matthias. »Meinst du, dein starker Wächter schafft es, die beiden Bälger runter zum Schinderhaus zu bringen und ein wenig auf sie aufzupassen?«
    Magdalena schnaubte. »Besser als du und der Simon zusammen.«
    Die Kinder schmollten, doch als sie der Schindergeselle mit zwei weiteren Dörrpflaumen lockte, folgten sie ihm schließlich bereitwillig. Erst als die beiden Kleinen mit Matthias hinter der nächsten Ecke verschwunden waren, wandte sich der Henker wieder an seine Tochter.
    »Und?«, fragte sie neugierig. »Was habt ihr vor?«
    Der Henker grinste und zog die eingerollte Mönchskutte hervor, die er bislang unter seinem Umhang versteckt hatte.
    »Bruder Jakobus und der heilige Simon werden der Re­liquienkammer noch einmal einen Besuch abstatten«, sagte er in spöttischem Ton. »Ich muss dort etwas überprüfen. Glaubst du, du schwaches Weibsbild kannst uns die Schwarzkittel solange vom Leib halten?«
    »Wenn du ein schwaches Weibsbild willst, musst du wo­anders

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